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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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unternehmen gegen den Spitzbuben?«, fragte Barak.
    »Nichts, fürchte ich, so wenig wie gegen Priddis. Wenn ich frage, ob Priddis und er gemeinsam Ellens Unterschrift fälschten, kommt womöglich die Schändung an den Tag. Und ich glaube kaum, dass dies in irgendjemandes Interesse wäre.«
    »Zumindest hat man Rich die Flügel gestutzt.«
    »Ein bisschen. Und wir können Wests Mutter in dem Glauben belassen, dass ihr Sohn als ein Held gestorben ist.«
    »Ich frage mich, was das Untersuchungsverfahren zum Tod des armen Master Fettiplace an den Tag bringen wird.«
    »Dass er ermordet wurde, dürfte nachzuweisen sein. Der Täter bleibt unbekannt. Dabei wollen wir es auch belassen.«
    Wir ritten weiter bis zum Wirtshaus, wo wir ein Nachtquartier fanden. Nachdem wir das Abendessen eingenommen hatten, ließ ich Barak allein, um jemandem einen Besuch abzustatten.
    * * *
    Das Pfarrhaus sah baufälliger aus denn je, der knorrige Kirschbaum im verwahrlosten Garten war von üppigem Grün. Pfarrer Seckford kam auf mein Klopfen hin an die Tür. Er schien ausnahmsweise nüchtern zu sein, obschon ich einen Bierfleck auf seiner Soutane bemerkte. Er bat mich hinein. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, von West, Ellen, David, Emma und den Männern auf der
Mary Rose
, die ich hatte sterben sehen.
    Es war dunkel, als ich geendet hatte; Seckford hatte in seiner Stube Kerzen entzündet. Er überredete mich, einen Krug Bier mit ihm zu teilen, woraufhin ich einen, er indes drei Becher leerte. Als ich zu Ende gesprochen hatte, saß er da, das Haupt geneigt, die feisten Hände im Schoße zitternd. Dann blickte er auf. »Dieser König hat drei Kriege gegen Frankreich geführt und sie allesamt verloren. Alle zum eigenen Ruhm. Die Kirche, müsst Ihr wissen, verfügt über die Lehre vom gerechten Krieg. Der heilige Thomas von Aquin schrieb darüber, obwohl die Doktrin schon viel älter ist. Ein Staat, der sich einen Krieg leistet, muss alle anderen Optionen ausprobiert haben; er sollte das Recht auf seiner Seite haben und ein ehrenwertes Ziel vor Augen. Keiner von Heinrichs Kriegen erfüllt diese Kriterien. Obschon er behauptet, der Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein.«
    »Welche Kriege haben das Recht auf ihrer Seite, Master Seckford?«
    Er hob mit zitternder Hand den Becher an die Lippen. »Einige vielleicht. Aber nicht die Kriege dieses Königs.« Er sprach in jähem Zorn. »Er hat Schuld am Tod der Männer auf der
Mary Rose
, am Tod der Soldaten, Frauen und Kinder in Frankreich. Und selbst am Tod von Philip West – Gott möge ihm seine Sünden vergeben.«
    »Ich sehe unentwegt das Gesicht meines Freundes vor mir, sehe all die Soldaten, die ins Wasser stürzen. Immer und immer wieder.« Ich rang mir ein Lächeln ab. »Eine Frau, die ich sehr bewundere, sagte mir, ich solle Zuflucht im Gebet suchen.«
    »Das solltet Ihr.«
    Da stieß ich aus: »Wie kann Gott denn zulassen, dass dergleichen geschieht? Wie? Ich denke daran, wie jenes Schiff gesunken ist, denke an die Gnadenlosigkeit, mit der Reformer und Katholiken einander bekämpfen, denke an Emma, an Hobbey und David, und manchmal – vergebt mir, aber manchmal, da denke ich, dass Gott sich über uns lustig macht.«
    Seckford stellte den Becher ab. »Ich verstehe, wie die Menschen heutzutage auf solche Gedanken kommen. Und wäre Gott allmächtig, dann hättet Ihr vielleicht sogar recht. Aber das Evangelium erzählt eine andere Geschichte. Das Kreuz, seht Ihr. Ich für meinen Teil glaube, dass Christus mit uns leidet.«
    »Wozu soll das gut sein, Pfarrer Seckford? Wie soll mir das helfen?«
    »Das Zeitalter der Wunder ist längst vorüber. Seht Ihr –« Er griff wieder nach seinem Becher. »Er kann nicht einmal bewirken, dass ich das Trinken aufgebe, obwohl ich es mir wünsche.«
    »Warum?«, fragte ich. »Warum kann er es nicht?«
    Er lächelte traurig. »Ich weiß es nicht, ich bin nur ein versoffener alter Landpfarrer. Aber ich habe meinen Glauben. Es ist die einzige Möglichkeit, mit dem Rätsel zu leben.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Mich hat mein Glaube verlassen.«
    Seckford lächelte. »Ihr mögt keine Rätsel, nicht wahr? Ihr löst sie lieber. Wie Ihr das Rätsel um Ellen gelöst habt.«
    »Und zu welch einem Preis!«
    Er sah mich an. »Werdet Ihr auf sie achtgeben?«
    »Ich tue mein Möglichstes.«
    »Und jene arme Emma, und der Rest der Familie Hobbey?«
    »Was in meiner Macht steht, will ich tun.« Seckford beugte sich zu mir vor und legte die zitternde Hand auf

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