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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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anderes mehr denken, wollte unentwegt auf Leute schießen. Ich musste das Geheimnis hüten, damit Emma bei uns bliebe. Und wenn es dafür zu töten gälte –« Er hatte die Worte regelrecht hervorgesprudelt, doch dann hielt er plötzlich inne, sah mich an und fragte mit Leidenschaft: »Sir, kann Gott jemals eine Sünde vergeben, wie ich sie begangen habe?«
    Ich blickte in seine verzweifelten Augen. »Ich bin kein Geistlicher, David, aber wenn einer aufrichtig bereue, heißt es, dem werde sogar die größte Sünde vergeben.«
    »Ich bete ohne Unterlass um Vergebung, Sir«, sagte er unter Tränen. »Für mich selbst und für meine Mutter.«
    »Mehr kannst du nicht tun, David«, sagte sein Vater, trat vor ihn hin und nahm seine Hand. Seine Worte erinnerten mich an das, was Catherine Parr vor einigen Stunden zu mir gesagt hatte. Ich blickte zu Boden.
    »Gibt es Nachricht von Emma?«, fragte David mit bebender Stimme.
    »Master Shardlake hat sie in Portsmouth gesehen. Sie bedauert aufrichtig, was sie dir angetan hat.«
    »Es geschieht mir recht«, sagte David. Er sah mich an, und ich erkannte, dass er sie selbst jetzt noch liebte. Ich dachte mit Schaudern, was in den vergangenen sechs Jahren in seinem Kopf vorgegangen sein mochte, das ihn so entsetzlich verstört hatte. »Wo ist sie jetzt?«, fragte er.
    Hobbey zögerte. »Wir wissen es nicht genau. Aber vermutlich ist sie in Sicherheit.«
    »Werde ich sie wiedersehen?«
    »Ich glaube nicht, David. Wenn sie irgendjemanden aufsucht, dann Master Shardlake.«
    David sah mich wieder an. »Ich habe sie geliebt, müsst Ihr wissen, ich habe Emma all die Jahre geliebt.« Ich nickte. »Für mich war sie niemals Hugh. Und dies war wohl auch der Grund, warum der Teufel in mich fuhr, als – als ich befürchten musste, dass man unser Geheimnis entdeckte. Aber ich liebte sie. Ich liebte auch meine arme Mutter, das wurde mir klar, nachdem ich sie – nachdem ich sie getötet hatte.« Er begann zu schluchzen, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
    Hobbey ließ den Kopf hängen.
    »Da fällt mir etwas ein –«, sagte ich. Hobbey sah mich fragend an. Ich zögerte, denn ich hatte Guy schon genug Schreckensfälle zugemutet. Und doch hatte er Erfolg bei den schwierigsten Patienten, vielleicht brauchte er gerade jetzt eine Herausforderung wie diese. Zudem könnte ich Vater und Sohn im Auge behalten. Ich sagte also: »In London weiß ich einen hervorragenden Arzt. Er kann David vielleicht helfen.«
    Hobbey fragte hoffnungsfroh: »Damit er wieder laufen kann?«
    »Das kann ich Euch nicht versprechen.«
    »Dergleichen habe ich nicht verdient«, stieß David leidenschaftlich hervor.
    Ich sagte, wenn auch nur, um ihn zu trösten: »Das überlasst lieber Gott.«
    * * *
    Eine Stunde später brachen Barak und ich nach London auf. Vor unserem Abschied hatte ich noch etwas getan; ich war in Emmas Zimmer gegangen und hatte ihr Kreuzlein aus der Schublade des Nachttisches genommen.
    »Heim«, sagte Barak. »Endlich heim. Zur Geburt meines Sohnes.« Ich sah ihn an und bemerkte, dass der Wanst, den er in London angesetzt hatte, verschwunden war. Er folgte meinem Blick. »Die Pfunde sind bald wieder an ihrem Platz«, sagte er vergnügt. »Viel Ruhe und gutes Bier werden schon dafür sorgen.«
    Und doch gab es noch eine letzte Verzögerung. Wir ritten an der Abzweigung nach Rolfswood vorbei, und ich hatte den Weg entlanggeblickt, der zwischen steilen Böschungen nach Sussex führte. Ein paar Meilen weiter standen drei Soldaten quer über die Straße und versperrten den Weg. In einiger Entfernung sei eine Brücke eingestürzt und müsse instand gesetzt werden, sagte einer. Es war später Nachmittag, und die Soldaten legten uns nahe, ein Quartier für die Nacht zu suchen.
    Barak war ärgerlich. »Gibt es denn keine Möglichkeit, uns durchzulassen? Wir sind doch nur zwei, und meine Frau soll in Kürze niederkommen.«
    »Niemand geht weiter, ehe die Brücke instand gesetzt ist. Soldaten und Vorräte warten darauf, nach Portsmouth zu gelangen.«
    Barak schien geneigt, einen Streit vom Zaun zu brechen, doch ich sagte: »Lass uns doch aus der Not eine Tugend machen, Jack, und nach Rolfswood reiten.«
    Er entzog sich dem Blick der Soldaten. »Also meinetwegen«, murmelte er, wartete, bis wir außer Hörweite waren, und machte seiner Laune mit einer Reihe von Flüchen Luft.
    * * *
    Rolfswood war wieder ruhig, ein friedlicher Sommernachmittag. Wir kamen am Haus von Master Buttress vorüber. »Was werdet Ihr

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