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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Münze an. Mit einem Knicks empfahl sie sich und zog die Tür hinter sich zu. Barak war vor das Fenster getreten. »Kommt her, seht Euch das an«, sagte er.
    Ich trat neben ihn. Direkt unter uns befand sich das steile Dach eines Abtritts, mit moosigen Schindeln gedeckt, über einem kleinen Hinterhof. »Jemand hätte ohne weiteres hier heraufklettern können«, sagte Barak. »Ich würde es schaffen, sogar jetzt noch, bei allem Wohlleben.« Er klopfte sich auf den Wanst.
    Ich blickte hinaus. Von hier aus sah ich den Fluss und die vielen Barkassen, die emsig Versorgungsgüter an die See schafften. »Auf dem Dach fehlt keine Schindel«, sagte ich. »Sie wirken alt; wenn jemand hier heraufgeklettert wäre, hätte er gewiss ein paar zu Boden gestoßen.« Ich wandte mich wieder der Stube zu, blickte zum Balken empor. »Wäre einer durchs Fenster gestiegen, um ihn zu packen, hätte ein Kampf stattgefunden.«
    »Nicht, wenn er ihn im Schlaf besinnungslos schlug und aufknüpfte.«
    »Dann hätte er doch eine Beule am Kopf haben müssen. Der Coroner und seine Gehilfen hätten sie bei der Leichenschau gewiss entdeckt.«
    »Nicht, wenn sie von den Haaren verdeckt war. Vermutlich hat man den Toten ohnehin nicht sorgfältig untersucht.«
    Ich überlegte. »Erinnere dich, worum es bei diesem Fall geht. Die Verwaltung einiger Ländereien unten in Hampshire, vielleicht auch eine Gebühr für die Verheiratung von Hugh Curteys. In drei Jahren ist der Junge großjährig, dann fällt das Land ihm zu. Würde Nicholas Hobbey Michael umbringen lassen, nur um dergleichen zu verhindern? Und Gefahr laufen, am Galgen zu enden? Ein Mann von Stand, mit Familie?«
    »Vielleicht hat Michael etwas entdeckt, wofür Hobbey auf jeden Fall hängen würde.«
    »Und das wäre?«
    »Was ist mit dem fehlenden Messer?«
    »Es könnte doch auch in jener Bude abhandengekommen sein, die Coroner Grice seine Amtsstube nennt.« Ich lächelte. »Nun komm, sind wir nach alledem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, nicht viel zu schnell bereit, allenthalben eine Mordtat zu wittern? Und vergiss nicht, die Selbstmordnotiz steckte in Michaels Hand.«
    »Ich finde noch immer, dass die Sache irgendwie stinkt.«
    »Nach Ratten allemal. Sieh dir diese Kötel an, dort in der Ecke.«
    »Warum sollte Michael das Haus seiner Mutter verlassen und in diesem Loch hier hausen?«
    Ich überlegte wieder. »Ich weiß es nicht. Aber ich sehe hier nichts, was auf einen Mord hindeuten würde, bis auf das Fehlen des Dolches, und den könnte er auch verloren haben. Konzentrieren wir uns lieber auf die Anhörung am Freitag.« Ich sah mich ein letztes Mal um in der elenden Kammer, und da kam mir der Gedanke, dass Michael sich gewissermaßen selbst hatte bestrafen wollen, indem er hier Quartier bezogen hatte, anstatt im Hause seiner Mutter zu leben. Nur wofür? Wieder wanderte mein Blick zu dem Streifen Tuch, und ein Schauer überlief mich. »Komm«, sagte ich zu Barak. »Gehen wir.«
    »Macht es Euch etwas aus, wenn ich noch einmal mit dem Konstabler spreche?«, fragte er, als wir die Stiege hinuntergingen. »Ich weiß, wo ich ihn finde, nämlich im Wirtshaus, in das ich ihn führte. Es ist nur ein paar Straßen von hier entfernt. Vielleicht erinnert er sich ja an das Messer.«
    »Wartet nicht Tamasin schon auf dich?«
    »Die Sache ist schnell erledigt.«
    * * *
    Wir gaben den Schlüssel bei Sally ab und verließen das Haus. Es dämmerte schon, und zwischen den Häusern sah ich rot den Fluss in der untergehenden Sonne leuchten. Die Burschen an der Straßenecke waren verschwunden.
    »Kannst du mir eine Aussage aufsetzen und sie noch heute Abend Pfarrer Broughton vorlegen?«, fragte ich Barak. »Sei morgen um neun in der Kanzlei. Mistress Calfhill kommt ebenfalls.«
    »Also schön.« Er holte tief Luft. »Lasst Ihr es mich wissen, wenn Ihr Nachricht habt von Carver?«
    »Auf der Stelle.«
    Barak ging hinunter zum Fluss, während ich den Heimweg antrat. Als ich die Straße entlangschlenderte, dachte ich erneut an Michaels Tod. Barak hatte einen Riecher für Ungereimtheiten.
    Ich passierte eine dunkle Gasse und merkte auf, als ich hinter mir plötzlich Schritte vernahm. Ich fuhr herum, erhaschte gerade noch junge Gesichter und blaue Kittel, ehe man mir einen stinkenden Kartoffelsack über den Kopf zog und etliche Hände mich packten und in die Gasse hineinzerrten. Diebsgesindel; genau wie Michael hatte ich sorglos meinen Reichtum zur Schau gestellt.
    Sie stießen mich rücklings gegen

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