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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Auf der Rückseite des Hauses drehte er den Schlüssel im Schloss einer zerbeulten Tür herum. Sie ließ sich knarzend öffnen. Die Läden vor dem kleinen Fenster waren geschlossen, so dass im Raum nur vage Umrisse zu erkennen waren. Barak stieß sie auf. Die Stube war klein, die Wände wiesen feuchte Flecken auf. In der Kammer befand sich ein schmales Strohlager, darauf ein Kissen und ein schiederes Laken. Neben der Bettstatt stand eine alte Truhe offen, die einen Haufen Kleider enthielt. Das übrige Mobiliar umfasste einen zerkratzten Tisch und einen Stuhl, der umgestürzt auf dem Boden lag. Auf dem Tisch befanden sich eine Schreibfeder und ein verstaubtes, ausgetrocknetes Tintenfass. Am Deckenbalken hing, festgeknotet, noch ein Streifen weißen Linnens, dessen Ende abgeschnitten war.
    »Beim Blute Christi«, stieß ich aus. »Es ist alles noch so, wie es war, als man ihn herunterholte.«
    »Vielleicht gab der Coroner ja die Anweisung, das Zimmer unverändert zu belassen, damit die Geschworenen es inspizieren können.«
    »Und hat anschließend vergessen, dem Vermieter die Erlaubnis zu erteilen, es auszuräumen. Das klingt mir nach Coroner Grice.« Ich starrte in der elenden Kammer umher, in der Michael die letzten Tage zugebracht hatte. Barak trat vor die Truhe und machte sich daran, ihren Inhalt zu durchstöbern. »Hier drin sind nur Kleidungsstücke«, sagte er. »Kleidungsstücke und ein paar Bücher. Ein Teller und ein Löffel, in ein Tuch gewickelt.«
    »Lass sehen.« Ich warf einen Blick auf die Bücher. Lateinische und griechische Autoren, die klassischen Bücher eines Hauslehrers. Auch ein Exemplar von Roger Aschams
Toxophilus
war darunter, seine Abhandlung über das Bogenschießen, die Lady Elizabeth gerade las, wie die Königin mir erzählt hatte. »All diese Gegenstände hätte man als Beweisstücke in Verwahrung nehmen müssen«, sagte ich.
    »Der Coroner war nur fünf Minuten hier.« Sally stand in der Tür. Sie blickte traurig in den Raum. »Deshalb seid Ihr doch gekommen, oder nicht, Sir, um die achtlose Art und Weise in Frage zu stellen, wie der Coroner die Angelegenheit hier regelte?«
    »So ist es«, sagte Barak, ehe ich antworten konnte. Sally blickte im Zimmer umher. »Genauso habe ich die Stube in der fraglichen Nacht vorgefunden. Konstabler Harman schlug die Tür ein und schrie auf. Samuel stürzte hinzu, um zu sehen, was passiert war, und ich folgte ihm.« Sie starrte trostlos auf den Streifen Tuch, der vom Balken hing. »Der arme Master Calfhill. Ich habe schon Gehenkte gesehen, Sir, und an seinem Gesicht konnte man erkennen, dass er nicht das Genick gebrochen hatte, sondern langsam erstickt war.« Sie bekreuzigte sich.
    »Was trug er am Leib?«
    Sie sah mich erstaunt an. »Nur Wams und Hose.«
    »Und am Gürtel?«
    »Nur einen Beutel, Sir, mit ein paar Münzen darin und einem goldenen Kreuzlein, das seine Mutter vor Gericht als das seine erkannte. Die arme alte Frau.«
    »Keinen Dolch?«
    »Nein, Sir. Samuel und ich hatten schon bemerkt, dass er niemals einen bei sich trug.« Sie lächelte traurig. »Nein, Sir. Der Coroner schien die Sache möglichst schnell hinter sich bringen zu wollen.«
    »Verstehe.« Ich blickte wieder zum Dachbalken empor. »Was war Michael für ein Mensch, Sally?«
    Sie lächelte. »Er war wohl ein wenig weltfremd, wie Samuel und ich im Scherz oft zu sagen pflegten. Ging in feinen Kleidern einher, obwohl die Gegend hier nicht geheuer ist. Er hätte sich auch ein besseres Quartier leisten können, aber er schien sich weder um den Unrat zu scheren noch um die Ratten. Die meiste Zeit hing er seinen Gedanken nach.« Sie stutzte und setzte hinzu: »Keine fröhlichen Gedanken offenbar. Wir fragten uns immer, ob er zu den religiösen Zweiflern gehörte. Samuel und ich hängen selbstverständlich dem Glauben des Königs an«, fügte sie rasch hinzu.
    »Der Konstabler meinte, Michael sei mit einigen Burschen in der Gegend aneinandergeraten«, sagte Barak. »Waren es jene dort draußen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Nein, die können es nicht gewesen sein. Sie sind erst wenige Tage hier.«
    »Noch eine Frage«, sagte ich. Diesen Aspekt hatte noch niemand erwähnt. »Wie sah Michael Calfhill aus?«
    Sie überlegte. »Er war klein, schmal, hatte ein hübsches Gesicht und braunes Haar, das am Stirnansatz schon ein wenig schütter wurde, obwohl er noch keine dreißig war.«
    »Danke. Hier, für Eure Mühe –«
    Sie zögerte, doch dann nahm sie die

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