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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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sogar unter zwanzig. Alle trugen Lederstiefel, von denen nicht wenige alt und ausgetreten waren. Snodin bildete die Nachhut, eine Position, von der aus er die gesamte Kompanie im Blick hatte. Wir vier Zivilisten saßen auf und begaben uns an das Ende des Zugs. Vom Rücken des Pferdes aus blickte ich auf Snodins beginnende Glatze und auf seine blaugeäderte Säufernase, wenn er den Kopf drehte. Hinter uns holperten die Wagen. Während wir uns langsam die menschenleere Hauptstraße von Cobham entlangbewegten, beugte ein alter Mann sich aus dem oberen Fenster eines Hauses und rief: »Gott sei mit euch, Soldaten. Gott schütze unseren König Heinrich!«
    * * *
    Allmählich fasste ich Zuneigung zu meinem Wallach, welcher der einen weißen Fessel wegen Oddleg hieß. Er war sanftmütig, sein Schritt gleichmäßig, und er hatte heute Morgen, als er meiner ansichtig geworden war, freudig gewiehert. Die Kompanie zog zum steten Trommelschlag durch die Landschaft, wobei das Getrampel marschierender Füße begleitet wurde vom Rumpeln der Wagenräder hinter uns, vom Hufschlag der Pferde und, unmittelbar vor uns, vom seltsamen Klimpergeräusch der Brigantinen. Einer der Soldaten stimmte eine zotige Variante des Volksliedes
Greensleeves
an, und die übrigen fielen rau mit ein, eine Strophe erfindungsreicher als die andere.
    Nach einer Weile bedeutete Leacon dem Trommler, er möge innehalten. Wir stiegen jetzt die Kreidehügel der Surrey Downs hinauf. Die Soldaten wirbelten Staub auf im Gehen, und schon bald waren wir am Ende des Zugs ganz grau davon. Die Landschaft veränderte sich; immer größere Bereiche wurden nach alter Sitte beackert: Umfangreiche Felder waren in lange Streifen unterteilt, auf denen unterschiedliche Feldfrüchte gediehen. Der Weizen und die Wicken schienen hier schon reifer zu sein, sahen außerdem weniger mitgenommen aus als in London; die Unwetter hatten den Süden offenbar verschont. Bauern hielten in ihrer Arbeit inne, als sie unser ansichtig wurden, doch lasen wir wenig Neugier in ihren Gesichtern, denn dies war gewiss nicht die erste Kompanie Soldaten, die vorüberzog.
    Das Singen verlor sich nach wenigen Meilen. Der Schritt der Männer erlahmte, und der Trommler gab erneut den Marschrhythmus vor. Ich versuchte noch einmal, mit Dyrick ins Gespräch zu kommen. Trotz seines breitkrempigen Hutes fing sein mageres Gesicht allmählich die Sonne ein, wie dies bei rothaarigen Menschen üblich war. »Die armen Rekruten«, sagte ich und wies auf die Männer in ihren Brigantinen, »seht nur, wie sie schwitzen.«
    »Sie müssen noch weit mehr ertragen, wenn wir erst Portsmouth erreicht haben«, versetzte er grimmig.
    »Das ist wahr. Hätte der König diesen Krieg bloß niemals begonnen!«
    »Vielleicht ist es höchste Zeit, mit den Franzosen ein für alle Mal abzurechnen. Ich wünschte nur, Ihr hättet mich nicht zu dieser Reise genötigt.«
    Ich lachte auf. »Aber Bruder Dyrick, es muss doch ein Thema geben, bei dem wir uns einig sind.«
    Er maß mich mit feindseligem Blick. »Mir will aber keines einfallen.«
    Ich gab es auf. Obwohl es unhöflich war, zügelte ich Oddleg, um mich mit Barak unterhalten zu können. Feaveryear nahm es missbilligend zur Kenntnis.
    * * *
    Wir kamen gut voran; auf einen Trompetenstoß des Trommlers hin gaben nacheinander mehrere Fuhrwerke und ein Trupp Straßenarbeiter den Weg frei, um uns passieren zu lassen. Nach zwei Stunden machten wir bei einer Brücke halt, um die Pferde am Fluss zu tränken. Während wir die Tiere zum Wasser hinunterführten, ließen sich die Soldaten am Wegesrand nieder, holten Brot und Käse aus ihren großen Beuteln und machten Vesper. Die Männer in ihren Wämsern und Brigantinen waren sichtlich erschöpft.
    »Ich glaube kaum, dass ich diesen Marsch so wacker durchgestanden hätte«, sagte Barak. »Vor fünf Jahren vielleicht. Goodryke, diesem Hundsfott, war’s doch einerlei, ob ich einen guten Soldaten gebe oder nicht. Er wollte an mir nur ein Exempel statuieren.«
    »Wohl wahr.«
    »Dieser Snodin ist auch so einer. Ein jeder sieht doch, dass er es auf den Burschen mit den abstehenden Ohren abgesehen hat.«
    »Ja, das ist wahr.« Ich blickte mich um. »Was ist das?«
    Eine Staubwolke war in der Ferne aufgetaucht, schnelle Reiter. Snodin wies die Rekruten an, die mitten auf der Straße fläzten, sie möchten Platz machen. Ein halbes Dutzend Reiter passierte uns in südlicher Richtung, allesamt in den Farben des Königs gekleidet, Grün und Weiß. An der

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