Der Pfeil der Rache
das? Alter Trottel.«
Ein Ruf ertönte, und wir wandten die Köpfe. Die Wagen waren beladen, und die Rekruten, marschbereit, schnürten sich zu den langen Messern, die ein jeder bei sich trug, große Beutel mit ihren Habseligkeiten an die Gürtel. Unweit der Fuhrwerke hatten zwei Soldaten angefangen, sich zu balgen. Der unbeholfene Schlaks, der am Abend zuvor die Zeltleinwand in einen Kuhfladen hatte fallen lassen, und ein stämmiger Kerl mit wirrem Blondhaar droschen mit den Fäusten aufeinander ein. Andere Rekruten kamen neugierig herbeigelaufen.
»Los, Pygeon, lass dir das nicht gefallen!«
»Was hast du jetzt wieder zu ihm gesagt, Sulyard!«
Die zwei Raufbolde ließen keuchend voneinander ab und umkreisten einander. »Na los, Pygeon, du räudiger Hund!«, brüllte der Blonde. »Halt dich gerade! Pass auf, dass dir der Wind nicht in die Segelohren fährt, sonst hebst du ab wie ein Vogel!«
Noch mehr Gelächter. Pygeon war einer jener Unglücksraben, dessen große Ohren steil vom Kopf abstanden. Sein Gesicht war schmal, das Kinn fliehend. Er wirkte nicht älter als zwanzig, sein Rivale dagegen um einige Jahre älter, mit hässlichen, knochigen Zügen, bösen, stechenden Augen und der höhnischen Miene des geborenen Raufbolds. Ich freute mich, als Pygeon ihn mit einem Tritt ins Knie überrumpelte, dass er aufjaulte und taumelte.
Der Kreis der Schaulustigen teilte sich, um den rotgesichtigen Feldwebel Snodin hindurchzulassen, der sich wütend einen Weg bahnte. Er trat vor Pygeon hin und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. »Was zur Hölle geht hier vor«, schrie er. »Wo du bist, gibt es Ärger, Pygeon! Du nutzloses Stück Dreck!«
»Sulyard lässt mich einfach nicht in Ruhe«, brüllte Pygeon zurück. »Immerzu beleidigt er mich, immerzu! Daheim im Dorf musste ich’s ertragen, aber hier nicht.«
Die einen raunten beifällig, andere lachten. Dies brachte den Feldwebel so sehr in Rage, dass sein Gesicht purpurrot anlief. »Maul halten!«, brüllte er. »Ihr seid jetzt im Dienste des Königs, also vergesst gefälligst euer verfluchtes Dorfgezänk!« Er blickte böse in die Menge. »Heute Morgen marschiert ihr in Steppwämsern und Helmen. Und Pygeons Rotte soll die Brigantinen anlegen. Bedankt euch bei ihm.« Die Männer stöhnten. »Ruhe!«, schrie Snodin. »Ihr sollt euch daran gewöhnen, schließlich müsst ihr sie auch tragen, wenn wir gegen die Franzosen ziehen! Zehn Männer vor, holt das Zeug von den Wagen!«
Zehn Männer schälten sich aus der Menge, liefen herzu und hoben engsitzende, stählerne Helme von einem der Wagen, dazu Steppwämser und schwere Röcke, mit Eisenplättchen ausgelegt, die klimperten wie Gold; sie schützten, wie ich wusste, vor feindlichen Pfeilen. Sulyard hatte sich aufgerappelt, und obwohl er leicht humpelte, bedachte er Pygeon mit einem triumphierenden Grinsen.
»In diesen Dingern müssen die Männer marschieren?«, fragte ich Barak.
»Sieht ganz danach aus. Ich möchte nicht mit ihnen tauschen.«
»Sie müssen schließlich auch darin kämpfen«, sagte Dyrick. »Da kommen Leacon und der Obrist. Kommt, sitzen wir auf.«
Leacon und Sir Franklin, jetzt hoch zu Ross, ritten hinüber zu Feldwebel Snodin. Die drei unterhielten sich leise. Leacon schien nicht Snodins Meinung zu sein, doch Sir Franklin rief: »Unsinn! Man muss ihnen eine Lektion erteilen!«, und schloss die Diskussion, indem er auf die Straße ritt.
Die Männer legten die Waffenröcke an, bis auf eine zwanzig Mann starke Gruppe ganz hinten, welcher auch Sulyard und Pygeon sowie der junge Bogenschütze Llewellyn angehörten; sie warfen sich die Brigantinen über. Viele dieser Plattenpanzer wiesen wie die Wämser etliche Löcher auf, so dass man die Eisenplättchen hindurchschimmern sah. Die Männer der Abteilung legten sie murrend an, wogegen Sulyard, dessen leuchtend rote Brigantine nagelneu zu sein schien, die blanken bronzenen Nietköpfe, welche die Platten zusammenhielten, sichtlich stolz war auf sein Eigentum. Die anderen stöhnten; der Rottmeister, ein stämmiger, kühnäugiger junger Bursche, ermutigte sie. »Auf geht’s, es lässt sich nun einmal nicht ändern. Bis zum Mittag halten wir durch.«
Auf einen Befehl Snodins hin stellten die Soldaten sich in Fünferreihen auf. Sir Franklin, Leacon und der Trommler bildeten die Spitze. Der Trommler gab den Rhythmus vor, und die Männer marschierten von der Wiese. Ich stellte erneut fest, wie jung die meisten noch waren, fast alle unter dreißig und mehrere
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