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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Shardlake«, sagte er mit jäher Leidenschaft. »Es ist unsere heilige Soldatenpflicht. Und jetzt muss ich nach Sir Franklin sehen.« Er entfernte sich.
    »Ich glaube, ich habe ihn gekränkt«, sagte ich zu Barak.
    »Er weiß doch selbst, was die Leute von diesem Krieg halten.«
    »Trotzdem betont er zu Recht die Notwendigkeit, das Land zu verteidigen. Und diese Aufgabe obliegt ihm und seinen Männern.«
    * * *
    Das Dorf besaß kein richtiges Zentrum; Langhäuser unterschiedlicher Größe standen in eigenartigen Winkeln zueinander, wie zusammengewürfelt. Wege schlängelten sich zwischen ihnen hindurch. Vor dem Backhaus, einem niedrigen, rechteckigen Gebäude, stand ein Tisch, der mit Speck und dicken Schinkenscheiben beladen war. Mehrere Soldaten zankten sich mit den Weibern, die zu uns hinausgekommen waren und jetzt ihre Waren feilboten. Sulyard stand brüllend in der Mitte des Streits. Die Leute kamen aus ihren Häusern gelaufen.
    Eines der alten Weiber hielt Sulyard eine Münze vor die Nase, im Gesicht denselben Ausdruck empörter Wut, wie ich ihn zehn Tage zuvor bei dem Händler in Cheapside erlebt hatte. »Das ist doch kein anständiges Geld!«, schrie sie. »Kein Silber! Schämt Euch, da seid ihr Soldaten des Königs und wollt uns betrügen!«
    Sulyard brüllte zurück. »Das ist eine von den neuen Münzen, du dumme Kuh! Das ist ein Testoon, ein Shilling!«
    Ein hochgewachsener Greis trat mit grimmiger Miene vor ihn hin. »Wagt es nicht, mein Weib zu schmähen, Rüpel!«, knurrte er und versetzte Sulyard einen Knuff mit der Faust. Ein zweiter Soldat trat vor und schob den Alten zurück.
    »Hör auf, Sulyard zu schubsen! Ein Rüpel mag er sein, aber er ist unser Rüpel!«
    Da mischte Carswell sich ein, der Rottmeister. »Kommt schon, Kameraden. Macht keinen Ärger, sonst müssen wir am Ende den ganzen Tag in unseren Steppwämsern marschieren.«
    »Diese Tölpel kennen die Münzen nicht!«, stellte Sulyard mit spöttischem Lachen fest. Die größer werdende Menge der Dorfleute ließ ein feindseliges Murren hören. Barfüßige Kinder sahen aufgeregt zu.
    »Bitte«, rief Carswell. »So beruhigt euch wieder! Der Rüpel sagt die Wahrheit, es sind die neuen Münzen in unserem Königreich!« Sulyard maß ihn mit scheelem Blick.
    »Dann zahlt gefälligst mit den alten!«, rief ein junger Bursche aus.
    Der Bogenschütze Llewellyn trat vor. »Sie sind schon allesamt aufgebraucht. Bitte, Gevatterin, wir kriegen seit drei Tagen kaum etwas zu beißen als Brot und Käse.«
    Die Alte verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist nicht meine Sache, Jüngelchen.«
    »Wir sollten die Alte gegen die gottverdammten Franzosen schicken«, rief Sulyard. »Bei ihrem Anblick würden sie allesamt Reißaus nehmen.«
    Ein paar ältere Männer traten vor. Carswell blickte verzweifelt um sich, dann entdeckte er mich und rief: »Seht Ihr, wir haben einen Gentleman bei uns, einen Rechtsanwalt. Er wird euch bestätigen, was wir sagen.«
    Die Dorfleute musterten mich feindselig. Nach kurzem Zögern sagte ich: »Es gibt in der Tat neue Münzen.«
    »Jetzt haben die Soldaten schon buckelige Rechtsanwälte, damit sie die Leute übers Ohr hauen!« Die Alte ließ sich nicht erweichen. Und die Dorfleute knurrten beifällig. Ich trat vor. »Seht her, auf den Münzen ist das Haupt des Königs zu sehen.
    »Es ist aber kein Silber!«, kreischte mir die Alte ins Gesicht. »Ich weiß, wie Silber aussieht und wie es sich anfühlt!«
    »Es ist mit Kupfer vermischt. So eine Münze ist in London acht alte Pence wert.«
    »Neun!«, rief einer der Soldaten hoffnungsfroh.
    »Acht«, widersprach ich mit Nachdruck.
    Die Alte schüttelte den Kopf. »Ist mir einerlei. Ich will das Gelumpe nicht!«
    »Na komm, Margaret«, sagte einer der alten Männer. »Wir haben doch eigens Martins Sau geschlachtet, wir müssen den Schinken verkaufen.«
    Ich holte den Beutel hervor. »Ich bezahle euch in altem Geld. Dann können die Soldaten mir den Betrag zurückzahlen, acht Pence für einen neuen Testoon.«
    Unter den Dorfleuten herrschte zustimmendes Gemurmel. Die Alte schaute noch immer misstrauisch drein, sagte aber: »Gut, dann gebt mir vier Shilling in echtem Silber für das Fleisch. Es sollten eigentlich fünfe sein, bei all den Beleidigungen, die man mir an den Kopf geworfen hat, aber ich will mal nicht so sein.«
    Sie verstand sich aufs Feilschen, und ich nickte zustimmend. Die Spannung, die in der heißen Mittagsluft gelegen hatte, löste sich. Ich händigte der Alten

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