Der Pfeil der Rache
* *
Im Laufe des Nachmittags schoben von Westen Wolken heran, und die Luft wurde kühler. Ich sah Leacon in den Himmel blicken. Ein heftiger Regenguss, wie er im Juni üblich war, würde den Staub der Straße schon bald in Schlamm verwandeln. Leacon nickte dem Trommler zu, der einen schnelleren Marschrhythmus vorgab.
Gegen vier Uhr am Nachmittag hielten wir kurz Rast auf einem Waldweg, um an einem Tümpel die Pferde zu tränken und ihnen ein wenig Ruhe zu gönnen. Bier machte die Runde, und ich ergriff die Gelegenheit, um Barak von meinem Gespräch mit Dyrick zu erzählen.
»Hobbey wird Feaveryear und mich vermutlich im Holzschober einquartieren.« Er wies auf den Schreiber, der ein wenig abseits auf einer Bank saß und in einem Gebetbüchlein las.
»Wir werden etwa drei Tage brauchen, um Zeugenaussagen zu sammeln und uns ein Bild zu machen, was es mit Hugh Curteys auf sich hat. Dann treten wir den Heimweg an.«
»Und wenn ihm Unrecht geschieht, was dann?«
»Dann nehmen wir ihn mit uns, und Dyrick kann –«
»Sich einen rotglühenden Schürhaken in den Arsch schieben. Ich hörte einen der Burschen genüsslich beschreiben, wie er Snodin damit traktieren würde.«
»Seht dort!« Wir fuhren herum. Ein Soldat zeigte in östlicher Richtung auf die Bäume. »Ein Waldbrand.« Etwa eine Meile von uns entfernt stieg eine Rauchsäule auf. Sie wurde dichter, und ein brenzliger Geruch wehte mir in die Nase.
»Das ist kein Feuer«, sagte der junge Llewellyn. »Das sind Kohlenbrenner. Hier ganz in der Nähe wird Eisenerz verhüttet.«
Ich sah ihn neugierig an. »Woher wisst Ihr das?«
»Ich war schon einmal da, Sir. Wenn ich meine Lehre abgeschlossen habe, will ich in Sussex arbeiten. Was ein tüchtiger Schmied ist, der kann gutes Geld verdienen in den Eisenhütten. Ich reiste im vorigen Jahr nach Sussex, um mich nach Möglichkeiten umzusehen. Es gibt überall Eisenhütten, und sie stellen wirklich alles her, von Pfeilspitzen bis hin zu verzierten Kaminschirmen. Ich war auch in Buxted, wo sie Kanonen gießen. Potzdonnerwetter!« Er schüttelte staunend den Kopf. »Gewaltige Gebäude und Dutzende von Arbeitern. Der Lärm ist meilenweit zu hören. Aber der Lohn stimmt.« Er bückte sich nach einem Grashalm und zerpflückte ihn bedächtig. »Tess und meine Eltern wollen mich nicht gehen lassen.« Er sah mich ernsthaft an. »Aber so ein Eisenwerk bietet unsereinem, der nicht einmal lesen und schreiben kann, doch eine Möglichkeit, sich im Leben zu verbessern. Ist das etwa keine gute Sache?«
»Vermutlich schon. Aber vielleicht nicht für deine Verwandten. Obwohl ich gut reden habe.«
»Ich werd’s trotzdem tun.« Stirnrunzelnd pflückte er sich einen zweiten Grashalm.
»Wir sind also unweit der Grenze zu Sussex?«, fragte ich.
»So ist es. Hier im Westen gibt es nur wenige Eisenhütten, und veraltete dazu, aber immer noch eine Menge zu tun.« Er drehte sich zu mir um, die hellblauen Augen im sonnengebräunten Gesicht besorgt. »Haltet Ihr meine Idee nicht für gut, Sir?«
»Die Schmelzöfen sollen gefährlich sein.«
»Weniger gefährlich als das Kriegshandwerk«, versetzte Llewellyn leidenschaftlich.
* * *
Gegen sechs machte die Kompanie außerhalb des Städtchens Liphook halt, wo ein Ortsansässiger am Rande der Wiese wartete, die man den Soldaten zugeteilt hatte. Die Männer marschierten hinein, und unter Snodins Aufsicht gingen sie daran, die Zelte von den Wagen zu laden. Die Wolken am Himmel waren noch immer schwer und dick, die Luft kühl, aber noch regnete es nicht. Leacon ließ uns wissen, dass er erneut bei der Kompanie schlafen wolle, wir dagegen sollten uns eine Herberge suchen; der Eigentümer der Wiese habe ihm nämlich versichert, dass noch vor Einbruch der Nacht mit einem heftigen Regenguss zu rechnen sei. Leacons Gebaren mir gegenüber hatte noch immer eine Spur Reserviertheit, was mich verdrießlich stimmte.
»Ihr wollt die Männer davon abhalten, in die Orte hineinzugehen?«, fragte ich ihn.
»O ja. Ich habe strikte Befehle. Sie würden sich nur betrinken, und dann ist immer einer darunter, der Unruhe stiftet.«
»Und Sir Franklin?«
»Er bleibt bei den Männern. Er ist der Ansicht, ein Regimentskommandant gehöre zu seiner Truppe, obwohl ihn die Gicht plagt, wenn er in einem Zelt schläft. Jetzt muss ich mich um meine Leute kümmern; ich komme später mit dem Proviantmeister in die Stadt und besorge anständige Verpflegung für die Männer. Trefft uns morgen früh um sieben auf dem
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