Der Pilot von der Donau
zu reizen. Doch ohne von dem Verhalten abzuweichen, das er sich vorgeschrieben hatte, unterdrückte er seine Ungeduld und erklärte bedächtig:
»Die unruhigen Zeiten sind dem Geschäftsgange nicht günstig.«
Striga sah ihn mit etwas spöttischem Blicke an.
»Und man hielt euch für einen so glühenden Patrioten! rief er ironisch.
– Ich bekümmere mich nicht mehr um Politik«, erwiderte Serge Ladko trocken.
In diesem Augenblicke bemerkte Striga die Jolle, die die Strömung vom Deck der Schute etwas abgedrängt hatte. Da durchschauerte ihn ein Zittern. Er konnte sich nicht täuschen, das war dieselbe Jolle, deren er sich acht Tage lang bedient und die er am Kai von Semlin angeseilt wieder gefunden hatte. Serge Ladko log also mit der Angabe, das Delta der Donau niemals verlassen zu haben.
»Seit ihr von Rustschuk weggegangen wart, habt ihr euch aus dieser Gegend niemals entfernt? fragte Striga mit nachdrücklicher Betonung und indem er sein Gegenüber scharf ins Auge faßte.
– Nein, antwortete Serge Ladko gelassen.
– Ihr setzt mich in Erstaunen, rief Striga.
– Warum? Hättet ihr erwartet, mich anderswo zu treffen?
– Euch? Nein, euch zwar nicht, doch das Boot da unten. Ich würde darauf schwören, es auf dem Oberlauf der Donau gesehen zu haben.
– Das ist leicht möglich, gab Serge Ladko gleichgültig zu. Ich habe das Boot hier erst vor drei Tagen von einem Manne gekauft, der von Wien zu kommen angab.
– Wie sah der Mann denn aus? fragte Striga lebhaft, da sich sein Verdacht auf Karl Dragoch lenkte.
– Er hatte dunkle Haare und trug eine Brille.
– Ah!« stieß Striga träumerisch hervor.
Die Antworten des Piloten hatten ihn sichtlich irre gemacht. Er wußte jetzt nicht mehr, was er glauben sollte. Bald hoffte er sich jedoch aus dieser Verlegenheit zu befreien. Was kümmerte ihn das alles?
Ob Serge Ladko die Wahrheit sagte oder nicht, er hatte ihn auf jeden Fall in der Hand. Der Schwachkopf, der dem Löwen selbst in den Rachen lief! Einmal hier auf der Schute, sollte er die nicht lebend wieder verlassen. Jetzt waren es zwei Monate, daß Striga lügnerischerweise Natscha versicherte, sie sei Witwe. Sobald das Meer erreicht wäre, sollte die Lüge zur Wahrheit werden.
»Nun wollen wir aber abfahren! sagte er, als er mit sich einig war.
– Zu Mittag«, antwortete Serge Ladko gelassen, während er aus einer mitgebrachten Tasche etwas zu essen hervorholte und zu frühstücken anfing.
Der Pirat machte eine ungeduldige Bewegung. Serge Ladko gab sich den Anschein, sie nicht zu bemerken.
»Ich muß euch aufmerksam machen, sagte Striga, daß mir viel daran liegt, vor Anbruch der Nacht auf dem Meere zu sein.
– Da werden wir dann auch sein«, versicherte der Pilot, ohne die geringste Neigung zu zeigen, sich jetzt stören zu lassen.
Striga entfernte sich nach dem Vorderteile. Dem nachdenklichen Ausdruck seiner Gesichtszüge nach zu urteilen, trug er sich mit ernster Sorge. Daß gerade der Gatte sich zur Führung der Schute, worin dessen Gattin gefangen saß, anbieten mußte, war doch wirklich etwas zu auffallend. Da das jedoch nichts daran ändern konnte, daß sich Serge Ladko auf dem Schiffe gegenüber sechs entschlossenen Männern allein befand, hätte er klug daran getan, an den Lotsen nicht noch weitre Fragen zu richten. So vernünftig war er aber nicht; ihm lag viel zu viel daran, zu wissen, ob das Verschwinden Natschas dem bekannt wäre, den es am meisten anging. Seine Neugier ließ ihm keine Ruhe, er mußte sie auf jeden Fall befriedigen.
»Habt ihr denn aus Rustschuk Nachrichten erhalten, seit ihr die Stadt verlassen habt? fragte er, indem er wieder auf den Piloten zutrat, der ruhig bei seinem Frühstück saß.
– Niemals, antwortete dieser.
– Und das Ausbleiben jeder Nachricht hat euch nicht verwundert?
– Warum sollte es mich verwundert haben?« fragte Serge Ladko, indem er den andern aufmerksam beobachtete.
Wie kühn und vermessen er auch sonst war, hier fühlte er sich von dem festen Blick etwas geniert.
»Ich glaubte, stammelte er, ihr hättet dort eure Frau zurückgelassen.
– Und ich, ich glaube, erwiderte Serge Ladko kühl, für uns würde sich ein andres Gesprächsthema besser eignen.«
Striga ließ sich das gesagt sein.
Wenige Minuten nach zwölf Uhr wurde auf Anordnung des Piloten der Anker aufgeholt, und nachdem das Segel gehißt und gerichtet war, ergriff dieser das Steuer. Da trat Striga nochmals an ihn heran.
»Ich muß euch darauf aufmerksam machen, sagte
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