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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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hinter sich hatte und auf sich selbst angewiesen war, konnte er alles viel klarer sehen. Jetzt, da er nur seinen eigenen, über die schwarzen Sechspfünder schwankend hinweggleitenden Schatten zur Gesellschaft hatte, fand er, daß er öfter richtig als falsch gehandelt hatte. War es unvermeidlich gewesen? Oder hätten sie es beide, er und sie, in Sekundenschnelle beenden können, durch ein bloßes Wort, eine Andeutung? Ihm fiel wieder ein, wie sie ihn über den Tisch hinweg angesehen hatte, während die anderen sich mit allerlei Unterhaltung und Geplauder die Zeit vertrieben. Capitan Vega hatte ihnen ein Lied vorgesungen, so traurig, daß ihm dabei die Tränen in die Augen traten. Puigserver hatte von den Abenteuern erzählt, die er vor dem Kriege in Westindien und Südamerika erlebt hatte. Raymond hatte sich nach einem ergebnislosen Streitgespräch mit Major Jardine über die Möglichkeit eines dauernden Friedens mit Frankreich langsam aber sicher betrunken. Conway war schrecklich nüchtern geblieben, oder, wenn das nicht der Fall war, mußte er ein besserer Schauspieler sein, als Bolitho sich vorstellen konnte.
    Wann also war der eigentlich entscheidende Moment gewesen?
    Sie waren zusammen auf der oberen Brustwehr gestanden und hatten, über das rauhe Balkenwerk gebeugt, auf die Bucht und die ankernden Schiffe geschaut. Ein schönes Bild. Winzige Lichter glitzerten auf dem unruhigen Wasser. Bleich schäumte es an den Riemen eines Wachtbootes, das seine gleichförmigen Kreise um die mächtigen Schiffsrümpfe zog.
    Ohne ihn anzusehen, hatte sie gesagt: »Ich möchte, daß Sie heute nacht an Land bleiben. Ja?«
    War das die Entscheidung? Mit plötzlichem, gefährlichem Entschluß hatte er alle Bedenken beiseite geschoben. »Ich lasse meinem Ersten Leutnant Bescheid sagen.«
    Er wandte sich um und blickte über das Deck. Da stand Herrick immer noch im Gespräch mit Shellabeer. Ob er damals wohl erraten hatte, was vorging?
    Bolitho wußte noch ganz genau, wie sein Zimmer im Fort ausgesehen hatte. Es war eher eine Zelle, karger als eine Leutnantskajüte auf einem Kriegsschiff. Er hatte auf dem Bett gelegen, die Hände hinterm Kopf gefaltet und auf die seltsamen Geräusche draußen, auf die Schläge seines eigenen Herzens gelauscht.
    Tierschreie aus dem Dschungel, gelegentlich der Anruf einer Patrouille an den kontrollierenden Sergeanten. Der Wind, der um den viereckigen Turm strich, ohne das antwortende Summen der Takelung und das Klappern der Taljen, das Bolitho gewohnt war.
    Dann hatte er ihre Schritte draußen auf dem Gang gehört, ein rasches Flüsterwort zu ihrer Zofe, bevor sie die Tür öffnete und schnell wieder hinter sich zuzog.
    Wie es weitergegangen war, wußte er nicht mehr so genau. Da ging es ihm etwas durcheinander. Er erinnerte sich noch, daß er sie an sich gepreßt hielt, an ihren warmen Mund, an das plötzliche, überwältigende, verzweifelte Begehren, das die letzten Bedenken in alle Winde jagte.
    Es war kein Licht in der winzigen Kammer, nur der Mondsche in. Er hatte sie nur kurz gesehen, ihre nackte Schulter, die wie Silber glänzenden Schenkel, als sie ins Bett kam und ihn tiefer, immer tiefer zu sich herabzog, bis sie sich schließlich in der Erfüllung ihres Begehrens vereinten, keuchend und ermattet.
    Hatte er überhaupt geschlafen? Oder sie nur in den Armen gehalten, sie begehrt mit der quälend klaren Gewißheit, daß es nicht dauern konnte? Einmal in dieser Nacht, als es schon fast dämmerte, hatte sie ihm ins Ohr geflüstert: »Mach dir keine Vorwürfe. Das hat nichts mit Ehre zu tun. Es gehört zum Leben.« Sie hatte die Lippen auf seine Schulter gepreßt und zärtlich weitergeflüstert: »Wie wunderbar du riechst. Nach Schiff. Nach Salz und Teer.« Und mit leisem Kichern: »Das muß ich auch haben.« Dann das ängstliche Klopfen an der Tür, mit dem die treue Zofe das Nahen des Tages ankündigte, und das hastige Rascheln, als sie ihr Gewand überstreifte.
    Aber für Bolitho war es ein völlig anderer Tag als alle Tage bisher. Er fühlte sich ganz anders als sonst. Voller Leben und Unruhe. Befriedigt, aber hungrig nach mehr.
    Er hörte Schritte an Deck. Herrick stand vor ihm und sah ihn an. »Ja, Mr. Herrick?«
    »Der Wind frischt wieder auf. Soll ich die Marssegel reffen lassen, Sir?« Kritisch musterte er die Takelung. »Hört sich an, als ob das Rigg mächtig straff ist.«
    »Wir wollen sie noch ein bißchen so laufen lassen. Wenn möglich, bis acht Glasen, wenn wir halsen und Westkurs

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