Der Piratenfuerst
«, Conway machte eine Geste, die den ganzen Raum umfaßte, »– mit uns Abgeschriebenen.«
Bolitho verstand, daß er entlassen war, verbeugte sich und ging.
Jenseits der Palisaden war der Urwald so dicht und bedrückend wie eh und je; dennoch wirkte der Ort anheimelnder, wie etwas Dauerndes.
Allday trieb sich im Schatten unterhalb des Haupttores herum. Er sah ein paar eingeborenen Frauen zu, die in einem großen Holztrog Wäsche wuschen. Sie waren klein, bräunlich, etwas mollig, besaßen aber eine geschmeidige Grazie, die Allday anscheinend sehr gefiel. Er nahm Haltung an und fragte: »Alles erledigt, Captain?« Zu Bolithos anzüglichem Blick nickte er wohlgefällig. »Niedliche kleine Krabben. Wir werden auf unsere Matrosen aufpassen müssen, Captain.«
»Nur auf die Matrosen?«
»Na ja ...«
Da kam der Schiffsarzt aus dem Behelfslazarett. Er rieb sich die Hände an einem Tuch ab und blinzelte in das schräg einfallende Sonnenlicht. Als er Bolitho sah, nickte er ihm zu.
»Zwei von Ihren Verwundeten sind ab morgen wieder dienstfähig, Sir. Zwei sind gestorben, aber die anderen werden überleben.« Er wandte den Blick ab. »Bis zum nächsten Mal.«
Bolitho überlegte. Zwölf Tote hatte sie der Angriff der Argus gekostet. Das war zuviel, auch wenn man bei diesem wütenden Gefecht von Glück sagen konnte, daß es nicht mehr waren. Er seufzte. Vielleicht hatte Herrick ein paar »Freiwillige« von den anderen Schiffen erwischt?
»Ihr Bootsmann«, fuhr Whitmarsh fort, »hat, nebenbei bemerkt, gute Arbeit geleistet. Eigentlich müßte der Junge tot sein.« Er blickte Allday an. »Schade um Sie. Sie sollten was Vernünftiges aus Ihrem Leben machen.«
Gelassen erwiderte Bolitho: »Freut mich, daß Sie Allday für die Mühe gedankt haben, die er sich mit Mr. Keen gegeben hat. Aber er wird über seine Zukunft schon selbst entscheiden, da bin ich ganz sicher.«
Allday selbst stellte sich taub.
»Jedenfalls«, sagte Whitmarsh, »habe ich hier ein bißchen saubergemacht. Die meisten werden durchkommen, aber ein paar werden doch noch sterben, ehe sie Spanien erreichen. Geschlechtskrank, selbstverständlich.«
»Selbstverständlich?«
Whitmarsh sah ihm in die Augen. »Völlig verseucht. Und sie haben natürlich auch diese armen unwissenden Wilden angesteckt. Wenn einer Ihrer Matrosen mit diesen verdammten Pickeln zu mir kommt, dann verarzte ich ihn so, daß er wünscht, er hätte nie im Leben eine Frau berührt!«
»Es sind auch Ihre Matrosen, Mr. Whitmarsh!« erwiderte Bolitho mit einem prüfenden Blick. Obwohl sich die übliche feindselige Haltung des Arztes nicht geändert zu haben schien, sah er doch erheblich besser aus. Vielleicht lag es nur daran, daß es hier wenig zu trinken gab? Jedenfalls hatte er keine Ähnlichkeit mehr mit dem betrunkenen Wrack, das in Portsmouth im Frachtnetz an Bord gehievt werden mußte.
»Da sind Sie also, Captain.«
Er wandte sich um. Sie stand am Tor und sah ihn an. Ein weißer Überwurf reichte ihr fast bis zu den Füßen, und sie trug den Strohhut, den sie in Santa Cruz gekauft hatte. Ihre Augen lagen im Schatten, aber ihr Lächeln war strahlend und warm.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Madam«, erwiderte er, »für alles, was Sie hier getan haben.«
Whitmarsh nickte. »Mrs. Raymond hat das ganze Lazarett von oben bis unten organisiert.« Seine Bewunderung war echt.
Viola lächelte Allday grüßend zu und hakte sich bei Bolitho ein. »Ich komme bis zum Strand mit, wenn ich darf. Es ist so erfrischend, Sie wieder hier zu haben.«
Bolitho merkte, daß Whitmarsh und Allday sie beobachteten.
»Sie sehen – äh – wohl aus«, sagte er. »Sehr wohl sogar.«
Sie drückte seinen Arm ein ganz klein wenig. »Sagen Sie Viola zu mir!«
»Viola«, sagte er lächelnd.
»So ist's schon besser.« Aber als sie weitersprach, klang ihre Stimme ganz anders. »Ich sah Ihr Schiff vor Anker gehen und war richtig verrückt vor Angst. Ich bat James, mich mit dem Boot hinüberzufahren, aber er weigerte sich. Natürlich! Da nahm ich ein Fernrohr und konnte Sie sehen – als ob ich neben Ihnen stünde. Und heute war ich ein Weilchen mit Valentin zusammen.«
»Valentin?« Er sah sie von der Seite an. »Wer ist das?«
Sie lachte. »Natürlich – so eine Kleinigkeit wie einen Vornamen werden Sie sich nie merken. Ich meine Ihren Mr. Keen.« Dann wurde sie ernst. »Der arme Junge sieht noch so elend aus, aber er spricht immer nur von Ihnen.« Wieder ein fester Druck auf seinen Arm. »Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher