Der Piratenfuerst
spät.«
Conway kehrte zum Tisch zurück; seine Miene war jetzt vollkommen gefaßt. »Ich bin einverstanden. Major Jardine, lassen Sie durch Ihre Leute sofort Pulver auf den Schoner bringen. Auch das letzte Faß, wenn nötig. Und Sie, Bolitho...
Wer soll den Schoner kommandieren?«
»Ich habe mich noch nicht entschieden, Sir.«
Raymond trat endlich ins Licht. »Ich habe gehandelt, wie ich es für richtig hielt«, sagte er lahm.
Aber Conway hatte nur ein verächtliches Nicken für ihn übrig. »Wenn Sie diese Affäre überleben«, sagte er, »werden Sie auf alle Fälle davon profitieren, sofern es etwas zu profitieren gibt. Selbst wenn wir keinen Erfolg haben, werden Sie sicher den Adelstitel erhalten, nach dem Sie sich so sehnen.« Raymond ging eilends zur Tür. »Posthum, natürlich«, rief Conway ihm nach.
Als sich der Gouverneur wieder dem Tisch zuwandte, schien er um zehn Jahre verjüngt. »Nun, da ich mich entschlossen habe, Bolitho, kann ich auch nicht mehr warten.«
Bolitho nickte. Ihn schmerzten alle Glieder wie nach einer physischen Anstrengung; und er machte sich auch erst jetzt richtig klar, was er erreicht hatte und worauf er sich mit seinem Schiff einließ. »Ich gehe wieder an Bord, Sir«, sagte er. »Wir brauchen frisches Wasser und Obst, falls letzteres zu haben ist.« Allerlei Gesichter erschienen vor seinem geistigen Auge: das von Carwithen, als das Enterbeil sich in den Hals des Piraten grub. Davys stolze Miene, als er das Kommando über den Schoner bekam. Fowlars echte Freude über seine provisorische Beförderung. Und vor allem Herrick. Was würde er zu diesem verzweifelten Plan sagen? Würde er sich eingestehen, daß sein Kapitän nun doch den einen letzten verhängnisvollen Fehler gemacht hatte – verhängnisvoll für sie alle?
Da sagte Conway in seine Gedanken hinein: »Sie sind gerissen, Bolitho, mehr als ich vermutete...« Er wollte nach einer Karaffe greifen, überlegte es sich aber anders. »Nein. Wenn ich schon meinen Kopf verlieren soll, dann soll er wenigstens klar sein, eh?«
Puigserver tippte mit breitem Zeigefinger auf ein Tintenfaß.
»Wann soll es losgehen, Capitan!«
»Früh.« Bolitho sah ihn nachdenklich an. Der Spanier war von Anfang an beteiligt gewesen. »Angriff im Morgengrauen.« Conway nickte. »Und wenn Sie noch nie um günstigen Wind gebetet haben, dann tun Sie es jetzt.«
»Aye, Sir«, lächelte Bolitho. »Ich werde daran denken.«
Er wollte gehen, blieb jedoch stehen, als der Admiral abschließend grollte: »Und wenn es schiefgeht, haben wir's doch wenigstens versucht. Haben getan, was wir konnten.« Als er sich umdrehte, fiel das Sonnenlicht voll auf sein Gesicht, und Bolitho sah, daß seine Augen feucht waren. »Raymond hatte natürlich recht, ich bin nicht der richtige Mann für diesen Posten, und vermutlich war auch nie beabsichtigt, daß ich ihn behalten sollte, sobald der Stützpunkt erst einmal vollständig eingerichtet war. Aber wir werden es ihnen zeigen.«
Mit großen Schritten ging er zu der Tür, die zu seinen Privaträumen führte, und warf sie krachend hinter sich zu. Puigserver stieß einen Pfiff aus. »Der alte Löwe erwacht, wie?«
Bolitho lächelte melancholisch. »Wenn Sie ihn so gekannt hätten wie ich, Senor ... Wenn Sie gesehen hätten, wie seine Männer hurra schrien, bis sie heiser waren, während der Pulverdampf von der Schlacht noch dick zwischen den Decks hing – dann würden Sie verstehen.«
»Vielleicht.« Puigserver grinste breit. »Nun weg mit Ihnen! Ich glaube, Sie haben eine Menge gelernt, seit wir uns kennen, und das auf allerlei Gebieten – eh?«
Bolitho trat hinaus, vorbei an einem sich verneigenden Diener. Als jemand seinen Ärmel berührte, fuhr er zusammen. Es war Viola Raymonds Zofe; das Gesicht verzerrt vor Angst, flüsterte sie: »Hier entlang, Sir! Gleich hier hinunter!«
Bolitho folgte ihr rasch, und da sah er auch schon die weiße Gestalt am Ende des Ganges.
»Was ist?« fragte er. »Wir sollten uns so nicht treffen.«
Mit flammenden Augen sah sie ihn an. »Du wirst dabei umkommen! Er hat es mir eben erzählt.« Wütend schleuderte sie ihren großen Hut zu Boden und fuhr fort: »Und es ist mir egal! Es ist mir völlig egal, was dir passiert!« Dann warf sie sich in seine Arme und rief mit tränenerstickter Stimme: »Das war gelogen! Es ist mir gar nicht egal, Richard, Liebster! Ich sterbe, wenn dir was passiert!«
Er faßte sie unters Kinn. »Ruhig, Viola. Ich konnte nicht anders«, sagte er leise und
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