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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Gillung abfloß oder blubbernd unter dem Ruder hervorkam.
    Dann wandte er sich Mrs. Raymond zu und sah sie an. Die ganze Zeit war sie schon an Bord, aber er wußte wenig von ihr. Sie beobachtete ihn amüsiert und forschend. Sie mochte zwei, drei Jahre älter sein als er selbst, war nicht ausgesprochen schön, hatte aber etwas Aristokratisches an sich, das sofort fesselte. Sie hatte schöne gleichmäßige Zähne, und ihr Haar, das ihr offen über die Schultern fiel, war braun wie Herbstlaub. Während er und seine Offiziere ständig schwitzten und Mühe hatten, nach der Tyrannei der Sonne oder nach einer wilden Bö ein sauberes Hemd zu finden, war sie stets untadelig gekleidet.
    Wie jetzt auch. Sie trug ihr Kleid nicht nur, sie hatte es arrangiert, so daß nicht sie hier beim Heckfenster fehl am Platze wirkte, sondern er. Ihre schweren Ohrringe mußten mindestens den Jahressold eines Seesoldaten gekostet haben.
    Mrs. Raymond lächelte. »Gefällt Ihnen der Anblick, Captain?«
    Bolitho fuhr zusammen. »Entschuldigung, Ma'am. Ich bin müde.«
    »Wie galant!« rief sie aus. »Und wie bedauerlich, daß Sie mich nur aus Müdigkeit ansehen.« Sie klappte den Fächer auf und fuhr fort: »Das war ein Scherz, Captain. Machen Sie nicht ein so betroffenes Gesicht!«
    Bolitho lächelte. »Vielen Dank.« Plötzlich mußte er an eine andere Frau denken, damals vor drei Jahren in New York. Und an ein anderes Schiff: sein erstes Kommando. Die Welt hatte offen vor ihm gelegen, da hatte ihm jene andere Frau klargemacht, daß das Leben nicht so freundlich war und nicht so einfach.
    »Ich habe allerlei Sorgen«, räumte er ein. »Die meiste Zeit meines Lebens habe ich mit Kämpfen und raschen Entschlüssen zu tun gehabt. Aber das jetzt – Tag für Tag nur Segel trimmen und auf die leere See starren – ist mir ungewohnt. Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich einen Kauffahrer und kein Kriegsschiff.«
    Sie sah ihn nachdenklich an. »Das glaube ich Ihnen. Ich hätte das eher merken müssen.« Die Augen hinter den langen Wimpern verborgen, bot sie ihm ein zögerndes Lächeln. »Dann wäre ich vielleicht nicht so verletzend zu Ihnen gewesen.«
    Bolitho schüttelte den Kopf. »Es ist größtenteils meine Schuld. Weil ich so lange auf Kriegsschiffen gefahren bin, setze ich automatisch bei jedem die gleiche Dienstauffassung voraus wie bei mir. Wenn es brennt, erwarte ich, daß alle herbeirennen und löschen. Wenn ein Mann sich gegen mich wendet, Meuterer oder Feind, lasse ich ihn niedermachen oder tue es selbst.« Er blickte ihr ernst ins Gesicht.
    »Deswegen hatte ich von Ihnen erwartet, daß Sie den verletzten Schiffbrüchigen helfen würden.« Er zuckte die Schultern. »Wie gesagt, ich hatte es erwartet und bat Sie nicht erst darum.«
    Sie nickte. »Dieses Eingeständnis muß Sie ebenso überraschen wie mich, Captain.« Lächelnd zeigte sie ihre schönen Zähne. »Hat es die Luft ein bißchen gereinigt?«
    »Ja.« Unwillkürlich wischte er die rebellische Locke beiseite, die ihm an der verschwitzten Stirn klebte. Er sah, wie sich beim Anblick der Narbe unter dem Haar ihre Augen weiteten, und sagte rasch: »Entschuldigen Sie mich, Ma'am. Ich muß mir vor dem Essen noch die Seekarte ansehen.«
    Als er aufstand und gehen wollte, blickte sie ihn wohlgefällig an. »Sie verstehen Ihre Autorität zu tragen, Captain.« Und mit einem Seitenblick auf ihren schlafenden Mann: »Besser als gewisse andere Leute.«
    Bolitho wußte nicht recht, was er dazu sagen sollte. »Das ist wohl kaum ein Gesprächsgegenstand für mich, Ma'am«, brachte er schließlich heraus. Von Deck her hörte man Fußgetrappel, und Schatten glitten rasch über das Oberlicht. Er blickte hoch.
    »Was ist das?« fragte sie. Er merkte nicht, daß sie sich über die Unterbrechung ärgerte.
    »Ich weiß nicht. Ein Schiff vielleicht. Ich habe befohlen, daß mir dann Meldung gemacht wird, denn ich will jede Begegnung vermeiden.«
    Noddall hielt in seiner Arbeit inne, zwei Gabeln in der Hand.
    »Hab' keine Meldung vom Ausguck gehört, Sir.«
    Es klopfte, und Herrick stand keuchend in der Tür.
    »Entschuldigung, daß ich so hereinplatze.« Er blickte an Bolitho vorbei auf Mrs. Raymond. »Es wäre besser, wenn Sie mitkämen, Sir.« Bolitho trat hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Im Gang zur Offiziersmesse stand eine kleine Gruppe Männer, die offensichtlich auf ihn warteten. Sie sahen verwirrt und betroffen aus, wie Fr emde: Bellairs und sein riesiger Sergeant; Triphook, die

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