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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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den Doktor nur beim Krankenstandsbericht und war jedesmal erschüttert über den Zustand des Mannes: verbittert, innerlich kochend und dabei unfähig, seine Probleme mit anderen zu besprechen. Er versuchte es nicht einmal.
    Bolitho hörte eine Frauenstimme, und die anderen sahen zum Oberlicht hoch, wo an Deck Schritte zu vernehmen waren: Mrs. Raymond und ihre Zofe beim gewohnten Spaziergang unter dem Sternenhimmel. Hoffentlich paßte Soames auf, daß sie das Achterdeck nicht verließen. Er konnte für ihre Sicherheit nicht garantieren, wenn sie gewissen Matrosen vor die Hände liefen. Bolitho wußte genau, welche Gefühle die Mannschaft hegte.
    Den Freiwilligen mußte es ziemlich anders vorkommen, als die Rekrutierungsplakate ihnen versprochen hatten; und die Männer von den Gefängnishulken meinten jetzt vielleicht, sie hätten einen schlechten Tausch gemacht. Selbst flüchtige Verbrecher mochten von Zweifel und Reue geplagt werden.
    Ihre Verbrechen kamen ihnen nun, da sie Festnahme und Prozeß nicht mehr zu fürchten hatten, wohl weniger bedrohlich vor als Hitze, Durst und die tägliche Qual von Dienst und Disziplin.
    Er sah, wie Raymond sich auf die Lippen biß, während seine Augen dem Klang der sich entfernenden Schritte folgten, als könne er durch die Decksplanken sehen. Gerade in der Enge des Schiffes entfremdeten sich seine Frau und er immer mehr. Es war schon eine seltsame Ehe.
    Bolitho erinnerte sich an ein Vorkommnis der letzten Tage. Im Kartenraum, der ihm als Behelfskajüte diente, hatte Allday ihm soeben den Arm neu verbunden. Mrs. Raymond war ohne vorher anzuklopfen eingetreten; weder er noch Allday hatten sie kommen gehört. Gelassen stand sie an der offenen Stückpforte und sah wortlos zu. Bolitho war bis zum Gürtel nackt, und als er nach seinem frischen Hemd griff, hatte sie leise bemerkt: »Wie ich sehe, haben Sie noch eine andere Narbe, Captain.«
    Bolitho hatte sich an die Rippen gefaßt und war sich plötzlich des rissigen Wundmales bewußt geworden, das von einem Pistolenschuß zurückgeblieben war. Grob hatte Allday gesagt: »Der Captain ist beim Anziehen, Madam! An Land sind die Sitten anscheinend anders als an Bord!« Aber sie war ruhig stehengeblieben und hatte ihn mit halbgeöffneten Lippen angesehen. Doch wie konnte sie verstehen, woran er dachte? An den Gegner, der auf ihn geschossen hatte: ein Offizier seines eigenen Bruders, der ein Verräter war, ein steckbrieflich gesuchter Renegat. Jetzt war Hugh tot und von den meisten, die ihn gekannt hatten, vergessen. Aber nicht von mir.
    Er schüttelte seine trüben Gedanken ab. Wichtig war nur das unmittelbare Vorhaben: Wasser. Nur das brauchte er, um nach Madras zu kommen. Was dann kam, war eine andere Sache, die warten konnte.
    »Das ist alles, meine Herren!« Er merkte, daß er schärfer gesprochen hatte, als in seiner Absicht lag, und fügte hinzu: »Wir haben ein gutes Schiff, eines der modernsten und seetüchtigsten Fahrzeuge, das je gebaut wurde. Wir können es mit jedem Schiff aufnehmen, es sei denn mit einem Linienschiff.« Herrick sah ihn bei diesen Worten lächelnd an, und die gemeinsame Erinnerung schloß die Kluft zwischen ihnen. Er machte eine kleine Pause und sprach dann weiter: »Und auch dabei gibt es seltene, allerdings nicht empfehlenswerte Ausnahmen. Aber ohne Trinkwasser sind wir Krüppel ohne die Kraft und den Schwung, einem neuen Tag ins Auge zu sehen. Denken Sie an meine Worte: Seien Sie wachsam! Im Augenblick ist das alles, was ich von Ihnen will.«
    Sie verließen die Kajüte, und er blieb mit Puigserver und Raymond allein. Raymond blickte hoffnungsvoll den Spanier an, doch als dieser keine Anstalten machte, seinen üblichen Abendspaziergang an Deck anzutreten, verließ er die Kajüte.
    Bolitho setzte sich ans Fenster und betrachtete das Mondlicht, das auf dem schäumenden Kielwasser der Undine spielte.
    »Was stimmt nicht mit ihm, Senor ! « Merkwürdig, wie leicht man mit Puigserver reden konnte. Noch vor einem knappen Jahr war er ein Feind gewesen, einer, den Bolitho im Gefecht getötet hätte, es sei denn, er hätte sich ergeben. Oder umgekehrt. Puigserver war ein kraftvoller Mann, soviel stand fest, und ließ sich nicht in die Karten sehen. Aber Bolitho vertraute ihm. Der größte Teil der Mannschaft hatte ihn ebenfalls akzeptiert – wie Allday, der es schon lange aufgegeben hatte, sich um die richtige Aussprache seines Namens zu bemühen; sie nannten ihn Mr. Pigsliver, aber es klang beinahe

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