Der Piratenlord
Spannung nicht länger ertragen konnte, stärkte er seinen Mut mit einem weiteren Schluck, ehe er fragte: „Sie wollten mich sprechen, Cap’n?“
Er warf Petey einen kühlen Blick zu, stellte die Flasche auf den Tisch und verkorkte sie. „Entspann dich, Hargraves. Ich werde dich nicht maßregeln. Ich möchte dir nur etwas zeigen was dich bestimmt interessieren wird.“
Das machte Petey sofort wieder wachsam. Außer der scharfen Spitze eines Säbels gab es nichts, was Captain Horn ihm zeigen konnte. Und die interessierte Petey überhaupt nicht. Ging es darum? Wollte der Captain ihn mit Rum abfüllen und ihm dann den Kopf abschlagen, sobald seine Aufmerksamkeit erlahmte?
Petey nahm all seinen Mut zusammen, als der Captain zu einem Eckschrank ging. Als er etwas Langes herausnahm und sich umdrehte, wurde Petey fast ohnmächtig, weil er den berühmten Säbel des Piraten erwartete.
Doch er hatte nur ein Zepter in der Hand.
Hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Schock starrte Petey den goldenen, vor Juwelen blitzenden Stab an.
Als hätte er Peteys Befürchtungen erahnt, schwang Captain Horn das Zepter wie ein Schwert durch die Luft. „Hast du schon mal so etwas Schönes gesehen, Hargraves?“
Petey schüttelte nur stumm den Kopf und betrachtete es wie gebannt.
Ohne Vorwarnung schleuderte Gideon den Stab durch die Luft in seine Richtung. Als die unzähligen winzigen Facetten das Lampenlicht zurückwarfen, sprang Petey vor und griff zu, noch ehe es auf dem rauen Holzboden aufschlagen konnte. Es war kalt und schwer, und das Metall glänzte so hell, dass es nur aus massivem Gold bestehen konnte.
Andächtig strich Petey mit den Fingern darüber. Ein Diamant von der Größe seines Daumennagels saß an einem Ende des Stabs, an dem sich eine endlos wirkende Kette perfekter runder Perlen bis zum Knauf hinaufzog, der mit Rubinen und Smaragden von Walnussgroße besetzt war. Petey war so hingerissen, dass er gar nicht hörte, dass der Captain wieder sprach.
„Ich habe es in meinen Tagen als Freibeuter ergattert.“ Gideon trank den Rum schlückchenweise und ließ Petey nicht aus den Augen. „Einer eurer englischen Botschafter sollte es dem Prinzregenten bringen. Es war das Geschenk eines indischen Radscha, glaube ich. Wahrscheinlich hat er geglaubt, dass er mit so einer Kostbarkeit den Hunger der Engländer nach Land stillen könnte, doch wir beide wissen, dass viel mehr Reichtum nötig ist, um eure Gier zu befriedigen.“
Das Gesicht des Captains verzog sich zu einem boshaften Lächeln. „Da man munkelte, dass George bald schon ein eigenes Zepter haben würde, behielt ich es.“
Nur mit Mühe unterdrückte Petey seine Wut über die offenkundige Respektlosigkeit Seiner Majestät gegenüber. Der Pirat reizte ihn, doch Petey wagte nicht, sein Missfallen zu äußern. Er berührte einen Rubin und fragte: „Warum zeigen Sie es mir?“
„Es gehört dir.“ Petey riss den Kopf hoch und sah, dass Captain Horn nicht mehr lächelte. „Es gehört dir wirklich. Ich habe keine Verwendung dafür. Was soll ich in einem Paradies mit einem Zepter anfangen?“
Vorsichtig legte Petey das Zepter auf den Tisch und sah Captain Horn argwöhnisch an. „Und warum wollen Sie es mir geben?“
„Ahnst du das nicht? Ich möchte, dass du Miss Willis aufgibst.“
Verblüfft schüttelte Petey den Kopf. Der Captain wollte ei. goldenes Zepter verschenken, nur um eine kratzbürstige Engländerin in sein Bett zu bekommen? Entweder war er verrück . . . oder schon so reich, dass er auf diese Kostbarkeit ohne weiteres verzichten konnte. Aber wahrscheinlich war das nur ein Spiel, bei dem er, Petey, in jedem Fall der Verlierer sein würde.
„Und was soll ich damit anfangen? Sie sagten ja schon, das man in einem Paradies kein Zepter braucht.“
„Du wirst nicht mehr länger in diesem Paradies leben. Morgen wirst du mit meinen Männern nach Sao Nicolauf segeln.“
Hoffnung keimte in Petey auf, doch er kämpfte sie nieder. „Sie wollen mich wirklich ziehen lassen?“
Gideon zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Wenn auf Miss Willis verzichtest, kannst du die Insel verlassen und gehen, wohin du willst. Du hast mir erzählt, dass du nicht nach England zurückkehren kannst, aber es gibt ja noch viele andere Orte, wo du angenehm leben kannst, nachdem du das Zepter verkauft hast. “
Der Captain meinte tatsächlich, was er sagte. Ganz kurz dachte Petey tatsächlich daran, das Angebot anzunehmen und irgendwohin zu
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