Der Piratenlord
Schornsteinen verdunkelte.
Doch das Beste war, dass fast alles noch so unberührt war. Wie lange war es her, dass sie an einem solchen Ort gewesen war? Selbst die ländlichen Gegenden Englands trugen die Spuren der Zivilisation. Sicherlich gab es unberührte Plätze auf den britischen Inseln, doch sie hatte sie nie zu Gesicht bekommen.
Für derartige Reisen hätte sie ihre Arbeit vernachlässigen müssen, und diese Tätigkeit hatte sie immer in die schmutzigsten und am meisten bevölkerten Bezirke Londons gebracht. Ehe sie mit der Chastity gesegelt war, hatte sie vergessen, wie es war, frei zu atmen, ohne dass ekelhafter Qualm oder die Ausdünstungen von Pferdeäpfeln ihre Lunge angegriffen hatten.
Sie blickte zum Bug. Dort sah sie einen Piraten Wache halten, und all ihre Freude über die Insel verschwand sofort. Gideon war nicht so dumm gewesen, die Frauen allein auf dem Schiff zu lassen. Obwohl sie nicht glaubte, dass sie und die anderen mit der Satyr davonsegeln könnten, hätten sie es vielleicht versucht, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gegeben hätte. Und das hatte Gideon offenbar vorausgeahnt.
Seufzend wandte sie sich vom Fenster ab und sah sich in der gut ausgestatteten Kabine um, die vorübergehend ihr Gefängnis war. Was würde wohl geschehen, wenn sie sich endgültig für einen Mann entscheiden mussten? Sie weigerte sich jetzt, Petey zu erwählen, da sie von Ann wusste. Doch wenn sie das nicht tat. . .
Einer wird für euch ausgesucht werden. Sie schluckte krampfhaft. Was würde Gideon machen? Ihr sich als Ehemann anbieten? Manchmal hatte sie schon gedacht, dass er sie nur ins Bett locken und sie danach von sich stoßen wollte. Dann wieder hatte sie geglaubt, dass er mehr für sie empfand, wie heute, als er sie wegen der Schlange getröstet hatte.
Ein Schauer überlief sie. Diese furchtbare Schlange. Und Gideon hatte ihretwegen so tapfer gekämpft.
Also, Sara, tadelte sie sich selbst, du tust gerade so, als sei er ein abtrünniger Ritter, der dich retten möchte. Das ist er ja nun wirklich nicht. Er ist ein sehr bösartiger Pirat, der es auf dich abgesehen hat, und das solltest du nie vergessen.
Mit einem Mal erinnerte sie sich lebhaft daran, dass er sie zärtlich umarmt hatte, als sie weinte. An die Wärme seines Mundes und sein erregendes Streicheln ihrer Brüste . . .
Hör auf damit! befahl sie sich stöhnend. Du musst dir diesen . . . arroganten Mann aus dem Kopf schlagen! Doch leider konnte sie das nicht.
Plötzlich hörte sie ein leises Geräusch. Ein Klopfen? Wahrscheinlich hatte sie sich nur verhört. Die Frauen waren alle unter Deck, und keiner der Männer würde so sanft an ihre Kabine klopfen. Außer Gideon natürlich.
Sie lächelte über diese absurde Vorstellung, denn Gideon würde gegen die Tür hämmern.
Da war das Geräusch wieder, und diesmal war sie fast sicher, dass es geklopft hatte. Neugierig ging sie zur Tür und öffnete sie. Petey stand davor und sah sich verstohlen in dem dunklen Salon um.
Leider befand sich Gideons Kajüte genau gegenüber. Hastig zog sie Petey herein und schloss leise die Tür. „Sind Sie verrückt, Petey? Wenn Gideon Sie hier findet. . .“
„Er ist nicht auf dem Schiff... Er ist in seiner Hütte. Aber ich bin genauso besorgt wie Sie, Miss Willis, glauben Sie mir. Besonders jetzt.“
„Was soll das heißen?“
Petey machte ein finsteres Gesicht. „Der Pirat bezahlt mich dafür, dass ich Atlantis morgen zusammen mit seinen Männern verlasse. Er sagt, ich kann gehen, wohin ich will, wenn ich nur nicht zurückkehre.“ Als Petey ihren entsetzten Blick sah, fügte er hinzu: „Ich habe natürlich zugestimmt. Das ist die einzige Möglichkeit, Ihren Bruder hierher zu bringen.“ Sie brauchte einen Moment, um das aufzunehmen, was Petey gesagt hatte. Doch dann stieg Hoffnung in ihr auf. „Das ist wunderbar! Sie gehen fort! Und Sie werden mit Jordan zurückkehren und uns alle retten!“ Doch sofort kamen ihr Zweifel. „Glauben Sie wirklich, dass Sie diese Insel wieder finden werden?“
Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich habe den Kompass beobachtet und unseren Kurs berechnet, seit wir die Kapverdischen Inseln verlassen haben. Deshalb bin ich ganz sicher, dass ich leicht hierher zurückfinden werde. Er wird nicht damit rechnen, dass ein einfacher Seemann wie ich aufgepasst hat, da ich ihm ja gleich erzählt habe, dass ich von der Chastity nur abgesprungen sei, weil ich nicht nach England zurückkehren kann. Vermutlich
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