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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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dass sich unzählige Kommunisten in den Wäldern vom Araguaia versteckten, und seine Aufgabe würde es sein, Carlos Marra dabei zu helfen, sie aufzuspüren.
    Marras Plan war, dass der Trupp eine Woche im Urwald verbringen, in Armeezelten schlafen, sich in Flüssen und Bächen waschen sollte. Sie hatten fünf Kilo Trockenfleisch, zwei Dosen Wurst, einen Barren Rohzucker, ein Kilo Maniokmehl und ein Kilo grobkörniges Salz dabei. Wenn die Vorräte verbraucht wären, würden sie essen, was sie jagen und fischen konnten. Dabei dachte Marra vor allem an Júlio, von dessen Treffsicherheit und Erfahrung in den Wäldern ihm Cícero vorgeschwärmt hatte. Alle waren bewaffnet, der Offizier und die anderen drei Männer mit je einer Flinte, Kaliber 20, und einem 38er Revolver, Júlio hingegen nur mit einer 20er Flinte, die über seiner rechten Schulter hing. Auf der Fahrt gab ihnen der Offizier die wichtigsten Instruktionen:
    »Wir müssen freundlich zu den Bewohnern hier sein. Sie werden uns nur sagen, wo sich die Kommunisten aufhalten, wenn sie uns vertrauen. Wenn wir zu einem Dorf oder einem Haus kommen, sagt ihr erst einmal gar nichts, nur ich spreche. Und wenn wir einen Guerillero aufspüren, heißt es, den Kerl lebend zu fangen. Niemand darf getötet werden. Ich will den Kerl lebend, damit er uns sagen kann, wo sich die anderen Rebellen verstecken.«
    Júlio war erleichtert.
    Die Woche verging schneller und ruhiger, als erwartet. Auf seinem ersten Dschungelmarsch unter Marras Kommando fühlte sich Júlio zum ersten Mal in seinem Leben wichtig. Es war seine Aufgabe, Menschenspuren im Wald zu finden – sieben Männer spürte er auf, die aber alle sagten, sie seien Landarbeiter. Vom vierten Tag an, als die mitgebrachten Vorräte aufgebraucht waren, war er außerdem dafür zuständig, Essen für den Trupp aufzutreiben. Er erlegte einen Affen, einen Reiher und am letzten Tag einen Jaguar. Keinem schmeckte das sehnige und zähe Fleisch der Raubkatze, aber etwas anderes gab es nicht.
    Im Laufe der Woche hatten sie etwa zehn Häuser ausfindig gemacht. Bei allen bestätigten die Bewohner, dass sie in der Gegend Kommunisten gesehen hatten. Nur wo sich diese versteckten, wussten sie nicht. Marra hielt ihnen jedes Mal denselben Vortrag: Es sei ein schweres Vergehen, die Kommunisten zu unterstützen, und wer mit der Armee zusammenarbeite, würde eine ordentliche Belohnung erhalten, Geld, Waffen, Werkzeug und Medikamente. Trotzdem erreichten sie nichts. Schließlich kehrten sie, ohne konkreten Hinweis auf die Verstecke der Kommunisten, am 5. April 1972 nach Xambioá zurück.
    Es war bereits Abend, als sie ankamen, und Júlio konnte das Durcheinander von Militärfahrzeugen und Menschen kaum fassen. Überall Menschen und Lärm. In den Bars dröhnte Musik aus großen, beleuchteten Kisten. Die Stadt war ganz anders, als am Morgen, an dem sie aufgebrochen waren. Marra begleitete ihn zur Pension und sagte mit seiner ruhigen Stimme: »Du hast uns sehr geholfen, mein Junge. Wenn du etwas brauchst, melde dich einfach bei mir.« Erst später fiel Júlio auf, dass er gar nicht wusste, wie er sich bei Marra melden sollte.
    In der Pension empfing ihn die Besitzerin, eine dürre Frau, etwa einen Meter sechzig groß, mit langer, spitzer Nase und krausem Haar, deren Namen er nie erfahren sollte.
    »Du bist doch der Neffe von dem Polizisten aus Imperatriz, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Ja, Senhora. Warum?«
    »Dein Onkel lässt ausrichten, dass er nach Imperatriz zurückgefahren ist und erst am Samstag wiederkommt.«
    »Aber wo soll ich so lange bleiben?«, fragte der Junge erschrocken.
    »Na, hier. Dein Onkel hat fünf Übernachtungen im Voraus bezahlt.«
    »Und danach?«
    »Er sagte, du würdest für das Militär arbeiten und könntest dann aus deiner eigenen Tasche bezahlen.«
    Júlio war verunsichert – bisher hatte er nichts selbst bezahlen müssen, ja, er hatte überhaupt noch nie Geld gehabt. Und er fürchtete sich davor, in dem Durcheinander der Stadt ganz allein zu sein, ohne den Onkel. Er nahm den Zimmerschlüssel und ging zu dem Bretterverschlag von gerade einmal vier Quadratmetern, der für die nächsten Tage sein Schlafplatz sein sollte. Das Schlimmste war, dass er in einem Bett würde schlafen müssen. Er überlegte, ob er die Besitzerin der Pension um eine Hängematte bitten sollte, aber ihr abweisendes Gesicht war so einschüchternd, dass er es unterließ. So verschreckt war er, dass er sich nicht einmal mehr traute, in den Ort zu

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