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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Neben dem Pult, das in seinen Umrissen an eine Glocke erinnerte, standen auf einem kleinen Gerätewagen einige Apparate – Kaskadenverstärker und ein gewöhnlicher Lautsprecher.
    Vier von den Wissenschaftlern waren in der Kabine. Der Physiker hockte am Pult. Neben ihm, mit dem Rücken zu mir, saß der Astronom und schien gespannt etwas zu betrachten, was sich zwischen den geöffneten Isolationswänden des Marax befand. Chandrasekar und Rainer standen in der Ecke. Der Chemiker, die Ellenbogen auf ein Rohr der Konstruktion gestützt, verbarg das Gesicht in beiden Händen.
    Alle schwiegen. Der Raum war von einer solchen Reglosigkeit erfüllt, daß ich mich nicht zu sprechen traute. Lao Tsu, der mich als erster bemerkte, machte eine Bewegung.
    Arsenjew hob den Kopf und zwinkerte wie geblendet mit den Augen. „Ach, Sie sind es.“
    Ich stand noch immer an der Tür.
    „Treten Sie nur ein!“ sagte der Astronom. Für einen Augenblick glaubte ich, der Chinese sähe mich etwas sonderbar an. Aber es war nur das Licht, das in seinen Brillengläsern funkelte.
    „Ist das Experiment gelungen..? Haben Sie etwas entdeckt?“ fragte ich.
    Lao Tsu schüttelte den Kopf. „Nein, aber … Professor Chandrasekar hat einen bestimmten Versuch gemacht, der … ein recht merkwürdiges Resultat ergab.“ Er sprach die letzten Worte so langsam aus, daß mich ein Schauer überrieselte.
    „Was bedeutet das?“
    „Wollen wir vielleicht noch einmal …?“ fragte der Chinese, ohne die Frage zu vollenden. Da niemand antwortete, schaltete er den Verstärker ein. Zuerst vernahm ich ein dumpfes Brausen, Knattern, dann einige unangenehme, schrille, rasch abreißende Pfiffe. Plötzlich erklang aus dem Lautsprecher eine Melodie, düster, erhaben, gewaltig und doch voll Angst und tiefstem Schrecken. Sie erweckte keine Furcht, denn sie war es selbst. Ein Entsetzen lag in ihr wie in den Riesenskeletten jurazeitlicher Ungeheuer, die in grausigem Kampfe erstarrten, als sie der Strom glühender Lava erfaßte und für Ewigkeiten in ihrer Haltung unaussprechlichen Schmerzes festhielt. Die Musik glich den riesenhaften Knochen, die einmal Rückgrat und Rippen waren, die nicht mehr dem Leben angehören und doch noch nicht zu Kalkfelsen geworden sind – Teile einer toten Welt. Und so tönte auch diese Melodie: seltsam, geheimnisvoll, unheimlich – und doch so nahe, daß ich an manchen Stellen vermeinte, sie müßte von Menschen hervorgebracht sein. Ich wollte schreien: Genug! Genug! Haltet es an! – aber ich vermochte den Mund nicht zu öffnen und lauschte weiter wie unter einem Bann, als betrachtete ich durch eine Glasscheibe die Todeszuckungen eines Ungeheuers von unbegreiflichen Formen, von dem ich nichts wußte, als daß es umkam … Noch einmal dröhnte der schauerliche Chor auf, dann war es still. Nur der eingeschaltete Lautsprecher summte noch.
    Wir alle verharrten in tiefem Schweigen. Unter uns war das feine Geräusch des tätigen Mechanismus zu hören.
    Es verging geraume Zeit, ehe ich mich zu der Frage auf raffte: „Was war das?“
    „Ein Kristall … einer aus diesen kleinen Geräten“, erwiderte Chandrasekar, trat an den Apparat und nahm das Metallkorn aus den Halteklammem.
    „Mir kam der Gedanke, die elektrischen Schwingungen in Töne umzuwandeln. Ich hatte keine Ahnung, daß dies ihre eigentliche Bestimmung sei … Die Tatsache, daß diese Töne eine Melodie bilden, mag ein Zufall sein …“
    „Und die anderen, was ist damit?“ fragte ich und wies auf die verstreut umherliegenden silbrigen Körner. „Nichts als ein Durcheinander von Tönen, die fast das Trommelfell zerreißen“, antwortete der Mathematiker. „Ich weiß selbst nicht, wie ich auf dieses Experiment gekommen bin“, fügte er nach einer Weile hinzu. „Übrigens glaube ich nicht, daß es sich um Musik handelt. Vielleicht ist es sogar …“
    Arsenjew unterbrach ihn. „Was hast du denn, Lao?“ sagte er zu dem Physiker. Der war vom Apparat aufgestanden. Er hob das Gesicht mit einem Ausdruck, als blickte er in ein fernes Licht. Arsenjews Frage hatte er gar nicht gehört. Langsam ließ er den Kopf wieder sinken. Er strich einige Male über die Glasplatte, wie wenn er sie glätten wollte, dann wandte er sich an Rainer: „Doktor … Seit wann besteht Ihrer Meinung nach diese Eisenablagerung am Ufer? Sie haben doch eine Analyse gemacht.“
    „Ja, die habe ich noch vor dieser verunglückten Expedition gemacht. Wenn man einerseits den niedrigen Sauerstoffgehalt der

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