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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Venusatmosphäre in Betracht zieht und andererseits das Vorhandensein von Wasser, das katalysierend wirkt, so möchte ich annehmen, daß die Ablagerung seit einigen fünfzig, na, sagen wir sechzig Jahren besteht.“
    „Vielleicht seit neunzig Jahren – könnte das sein?“
    „Ich glaube kaum. Das dürfte nicht der Fall sein. Es sei denn, daß die Temperatur bedeutend angestiegen wäre – woran denken Sie dabei?“ „Also wenn die Temperatur bedeutend angestiegen wäre …“, wiederholte der Chinese sehr langsam, Dann setzte er sich.
    „Glauben Sie …?“ wandte sich Rainer an ihn; doch Arsenjew schnitt die Frage mit einer Handbewegung ab.
    „Lassen Sie ihn. Er hört uns jetzt nicht.“
    Dieses Erlebnis hatte mich derartig beeindruckt, daß ich den schwachen Lichtschein ganz vergaß, den ich bemerkt hatte, als ich auf dem Rücken der Rakete stand. Am nächsten und auch im Verlauf der folgenden Tage leuchtete der Himmel im Glanz stiller elektrischer Entladungen. Aber jener graue Schimmer war nicht mehr wahrzunehmen.
Der große Fleck
    Sechzehn Tage brauchten wir, um die hohen atmosphärischen Schichten zu untersuchen. Ich sage Tage; denn obwohl der Talkessel in tiefste Dunkelheit gehüllt war, behielt unser Organismus den vierundzwanzigstündigen Rhythmus von Schlaf und Wachsein bei. Zusammen mit den Physikern stellte ich Radargeräte und Reflektoren für ultraviolette Strahlen auf. Auch ließen wir Ballonsonden steigen, die die Dichte der Ionisierung registrierten. Die eingebauten automatischen Sender übermittelten uns die Resultate der Messungen. Rainer führte im Laboratorium die Analyse der Minerale durch, die Arsenjew und Lao Tsu im Toten Wald gesammelt hatten. Chandrasekar war in komplizierte Berechnungen vertieft. Voller Ungeduld erwartete ich den Anbruch der Morgendämmerung denn auf diesen Zeitpunkt waren die wichtigeren Pläne verschoben worden. Draußen war es noch immer sehr kalt. Die Eisdecke des Sees bildete eine ideale, glatte Fläche, denn dem Orkan war absolute Windstille gefolgt. Durch die Wolken flackerten leuchtende Streifen, die an ein dunstverschleiertes Nordlicht erinnerten. Am zwanzigsten Tage brauste ein fürchterliches Unwetter über den Talkessel hinweg. Von den Wellen emporgehoben, krachte das Eis splitternd auseinander. Die Flanken der Rakete zitterten, grobkörniger Hagel prasselte gegen ihre Wandung; aber in das behagliche Innere drang nicht der geringste Luftzug.
    Am darauffolgenden Tage wurde es wieder ruhig und still, und bei nachlassendem Frost – die Quecksilbersäule im Thermometer stieg bis auf vier Grad unter Null – begann das Barometer zu fallen. Die Morgendämmerung rückte näher, und mit ihr waren neue, schwere Gewitter zu erwarten. Arsenjew ordnete daher den Start an. Als wir zum letztenmal auf dem Rücken der Rakete standen, war der Himmel von einem bleiernen Grau bedeckt. Der stumpfe Widerschein lag auf dem Eis, das den See wieder in Fesseln geschmiedet hatte. Dann schlossen sich die Klappen, und die Motoren fingen zu dröhnen an. Das Eis barst mit donnerähnlichem Getöse, und seine Stücke wurden hoch über das Vorderteil der Rakete geschleudert. Feuerstrahlen peitschten das Wasser, der „Kosmokrator“ hob sich steil empor und ließ eine weiße Gischtbahn hinter sich. Zwischen dem Gewölk, das die Flammen der Auspuffgase in Fetzen rissen, tauchten schemenhaft die Silhouetten der Berge und die Schluchten voll blauer Schatten auf. Durch dichte Wolkenschichten schraubten wir uns immer höher. Auf einmal hielten alle, die sich in der Zentrale befanden, die Hände vor die Augen. In den Fernsehern flammte eine weiße, glühende Scheibe auf, die tief in den Wolken schwamm. Da wir in östlicher Richtung flogen, begegneten wir der Sonne um einige Stunden früher, als sie über dem See aufging.
    Der „Kosmokrator“ nahm Kurs auf die Erde, als wollte er sich in den Abgrund zurückbegeben, der die beiden Planeten voneinander trennt. Die Navigatoren lenkten ihn aber nur bis in den Strom der Radiowellen, der Nachrichten von unserer Heimat Erde brachte. Einige Stunden lang kreuzten wir in der Leere des Raumes, unter dem schwarzen, sternenerfüllten Himmel, den wir solange nicht mehr gesehen hatten. Dann verschwand die Rakete wie ein Taucher, der Grund sucht, wieder in den Wolken. Von Zeit zu Zeit öffneten sich kleine Bodenluken, aus denen an langen Kabeln Radarhilfsantennen hinabgelassen wurden. Induktionsapparate tasteten durch den Nebel nach Metalladern.

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