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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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großen Radargerätes, machte sich an den Schaltern und Hebeln zu schaffen und lenkte eine Garbe unsichtbarer Strahlen auf den kleinen metallenen Körper.
    „Sie sind tüchtig oxydiert“, sagte er. „Anfangs wollten sie gar nicht funktionieren; es waren einige Kurzschlüsse entstanden. Aber als wir sie gereinigt hatten, meldeten sich fast alle … ah … sehen Sie?“
    Er sagte das völlig ruhig, während ich vor Staunen erstarrte.
    Die „Ameise“ zitterte, erhob sich und streckte das feine Drähtchen vor. Der Physiker wendete den Radarschirm nach allen Seiten, hob ihn höher, ließ ihn herunter und ließ ihn kreisen. Gehorsam folgte die „Ameise“ allen Bewegungen und kehrte dabei stets das spitze Ende mit dem Drähtchen dem Schirm zu.
    „Jedes dieser kleinen Geräte besitzt, wie ich schon sagte, einen Kristall“, fuhr Arsenjew fort, „der eine Reihe bestimmter Schwingungen enthält und genauso wie unsere Radargeräte auf Radiowellen von wenigen Zentimetern reagiert. Wenn Sie sich also dort im Toten Wald Ihrer Metallameise näherten, wurde sie von den Wellen, die Ihr Helm sendete, sozusagen geweckt. Sie belebte sich und begann ebenfalls zu senden. Wenn Sie sich von ihr entfernten oder den Kopf abwandten, trafen die Wellen das kleine Gerät nicht mehr, und es schaltete sich aus. Es besitzt eine einfache Vorrichtung, auf der Grundlage des Variometers aufgebaut, durch die es in der Lage ist, sich genau in der Richtung der erregenden Wellen einzustellen. Ist das klar?“
    Ich nickte schweigend. Meine letzte Hypothese war zertrümmert. Ich nahm mir vor, von nun an keine Hypothesen mehr aufzustellen. „Es ist also kein irgendwie geartetes ,Wesen‘?“ fragte ich nach einer Weile, nur um etwas zu sagen.
    „Selbstverständlich nicht.“
    „Und was kann es sonst sein?“
    „Das wissen wir nicht. Unser Kollege Lao Tsu meint, daß die Bewohner der Venus auf diese Art Berichte und Erkenntnisse festhalten „Dann wäre es also etwas Ähnliches wie ein Buch?“
    „Oder eine Schallplatte, ein Film oder auch ein Schriftstück … Auf jeden Fall eine Art Dokument, dessen Inhalt man jederzeit wiedergeben kann.“
    „Ob wohl diese Schwingungen … richtig, der ,Rapport‘, der berühmte ,Rapport‘ war ja auch in Schwingungen abgefaßt … Ob es vielleicht die gleichen sind?“
    „Wie Sie sehen, ist Professor Chandrasekar nicht hier. Er bemüht sich seit fast zwei Stunden, mit Hilfe des Marax diese Frage zu beantworten. Vorderhand müssen wir uns gedulden …“
    Als ich in die Zentrale zurückkehrte, kam ich an der Kabine vorüber, in der sich der Marax befand. Ich wollte einen Blick hineinwerfen, aber das große rote Warnschild „Nicht stören!“ hielt mich davon ab. Oswatitsch saß noch immer über seinem Euklid in der Zentrale. Ich ging also zur Schleusenstation, zog einen Skaphander an und stieg auf den Rücken der Rakete hinauf.
    Schwarze, frostklare Nacht umgab mich.
    Der Nebel war verschwunden. Unzählige Reflexe hervorrufend, glitt der weiße Lichtkegel meines Scheinwerfers über die Eisfläche, bis er sich inmitten undeutlicher, von einer dünnen Schneeschicht überstäubter Formen verlor. Ich schaltete den Scheinwerfer aus und ließ mich auf dem Panzer nieder. Geraume Zeit sah ich überhaupt nichts. Ich mußte auch noch das Radargerät ausschalten, da mich der grünlich schimmernde Schirm im Innern des Helmes geradezu blendete. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Finsternis und vermochten nun mehrere Tönungen darin zu unterscheiden. Diese waren ganz unten am Horizont besonders stark, dort, wo ich die Berge vermutete. Der Himmel war um eine Spur heller, aber man bemerkte es kaum; es war nicht einmal jenes schwache Zwielicht, das der Mond durch eine dichte Wolkendecke auf die Erde wirft. Von unten, von der Eisdecke her, kam leises Knistern. Das Eis wurde stärker und hob den Rumpf der Rakete allmählich immer höher. Bis jetzt hatte ich nach Norden, in die Richtung des Engpasses geschaut. Nun wandte ich mich nach Süden und erblickte – einen verschwommenen, aschgrauen Schimmer. Anfangs hielt ich es für eine Täuschung. Aber als ich eine Weile angestrengt hinübersah, konnte ich sogar die Gipfel der Berge vor dem grauen Hintergrund erkennen. Kein Zweifel, es war dort tatsächlich heller.
    Ich kletterte in die Rakete zurück, ließ den Skaphander in der Schleusenkammer und begab mich zum unteren Korridor. Das rote Licht über der Kabine des Marax leuchtete nicht mehr. Ich öffnete leise die Tür.

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