Der Planet des Todes
Licht wie eine weiße Säule über die Nebel emporragte und uns dann auch den Weg wies.
Am nächsten Tage stand ich sehr spät auf. Die Erschöpfung, die mir noch in allen Gliedern lag, ließ nur sehr langsam nach. Die Zentrale war leer, als ich sie betrat. Ich blickte auf die aerometrischen Instrumente. Der Luftdruck war gestiegen, die Temperatur bis auf acht Grad unter den Gefrierpunkt gesunken. Der Rumpf der Rakete hob und senkte sich kaum merklich wie die Brust eines schlafenden Riesen. Hier und da ließ sich das Knirschen der Eisschollen vernehmen, die an den Panzer des „Kosmokrators“ stießen. Ich setzte mich vor den großen Leuchtschirm; aber es war finstere, sternenlose Nacht. Ich senkte den Kopf und ruhte mit halbgeschlossenen Lidern in wohligem Nichtstun aus. Mir war, als müßte ein Traum, den das Erwachen unterbrochen hatte, seine Fortsetzung finden.
Chandrasekar kam herein und blieb vor mir stehen. „Na“, fragte er, „ist Ihr großer Hunger nun gestillt?“
„Nein“, sagte ich, „mein Hunger nach Wissen hat sich nur vergrößert und der nach Abenteuern … der wird sich wohl nie stillen lassen.“ Tags zuvor waren wir so müde gewesen, daß wir unsere Erlebnisse nur in wenigen, kurzen Worten hatten schildern können.
Nun begann ich zu erzählen. Chandrasekar lächelte mir zu, und ich sprach zu ihm wie zu einem guten Freunde. „Wir haben uns Fehler geleistet“, sagte ich, als ich mit meinem Bericht zu Ende war, „für die man wohl keinen von uns verantwortlich machen kann. Arsenjew handelte aber gegen seine eigenen Grundsätze, indem er den Abstecher zu der Grotte der metallenen Geschöpfe unternahm. Die Vernunft, der Verstand mußten ihm befehlen, weiterzugehen, denn der Sauerstoff wurde immer knapper. Indessen richten wir uns aber manchmal nicht nach dem Verstand oder der Vernunft, und das ist gut so. Wir entdeckten etwas, was große Bedeutung haben kann. Arsenjew hat eine Handvoll dieser metallenen Insekten mitgebracht. Haben Sie sie schon gesehen, Professor?“
„Ja, sie liegen im Laboratorium. Arsenjew hat gebeten, mit der Untersuchung auf ihn zu warten. Aber, um auf das Thema zurückzukommen, es ist Ihnen doch klar, daß diese paar Liter Sauerstoff, die Sie in der Grotte eingeatmet haben, im letzten Abschnitt des Rückweges hätten fehlen können?“
„Das wäre möglich gewesen.“
„Und was für einen Wert hätte dann die Entdeckung noch gehabt?“
„Wir wußten eben nicht, ob der Sauerstoff reichen würde oder nicht, und gerade deshalb, glaube ich, hat Arsenjew so gehandelt wie ich damals im Toten Wald.“
„Meinen Sie?“
„Ja, natürlich. Hätte ich die Gewißheit gehabt, daß wir den ,Kosmokrator‘ nur dann erreichen würden, wenn wir uns nicht um die Grotte kümmerten, so wäre ich der erste gewesen, der sich dem Professor widersetzt hätte. Aber diese Gewißheit hatte ich eben nicht.“
„So urteilen Sie also …“ Chandrasekar neigte den Kopf und blickte schweigend in die dunkelglänzende Platte des Prädiktors, als suchte er darin sein eigenes Spiegelbild. Ich war gespannt auf seine Erwiderung, aber in diesem Augenblick trat Soltyk in die Zentrale, und das Gespräch nahm eine andere Wendung.
„Das unterirdische Rohr, der metallene Strohwisch, den Smith entdeckt hat, und die weiße Kugel müssen in irgendeinem Zusammenhang stehen! Und dann dieses veränderliche magnetische Feld!“ sagte der Ingenieur. „Wenn ich wüßte, auf welche Weise sie Elektrizität erzeugen, wäre mir alles klar.“
„Sie irren sich!“ entgegnete Chandrasekar. „Wenn ein Marsbewohner auf unserer Erde in ein Sinfoniekonzert käme, was würde ihm da die genaueste Untersuchung der geometrischen und statischen Struktur des Gebäudes nützen, die chemische Analyse der Ziegel, des Mörtels, der Vergoldungen, das Ergründen der physikalischen und klanglichen Eigenschaften der Geigen, des Flügels, der anderen Instrumente? Er hätte noch immer nicht die geringste Vorstellung von dem Zweck, zu dem das Gebäude geschaffen wurde; denn die Kenntnis des Wichtigsten fehlte ihm.“
„Der Musik, nicht wahr?“ meinte Soltyk.
„Nein, der Geschichte des Menschengeschlechts. Viel wichtiger als die Konstruktion einer Maschine zu verstehen, ist es, um die Geschöpfe zu wissen, die sie erbaut haben.“
„Ich bin fest überzeugt, daß wir in den metallenen Ameisen die Herren dieses Planeten vor uns haben“, warf ich ein. „Anfangs kam es mir selbst sonderbar vor, daß so kleine Geschöpfe
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