Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Schwingungsanalysatoren registrierten und spalteten in beiden Laboratorien die Radarwellen, die die unsichtbare Oberfläche des Planeten zurückwarf. Aus der Anweisung, die ich für meinen Navigationsdienst erhalten hatte, ging hervor, daß wir den Talkessel der weißen Kugel ansteuern wollten. Gegen elf erschien Arsenjew in der Zentrale. Wenn ich ihn etwas fragte, so antwortete er mir erst nach längerer Zeit, als dächte er an ganz andere Dinge. Er sah flüchtig nach den Instrumenten und bat mich, besonders auf die Angaben des Gravimeters zu achten. „Verständigen Sie mich sofort, wenn irgendwelche Veränderungen eintreten“, sagte er.
    „Es treten bestimmt keine ein, Professor“, entgegnete ich. „Wir werden eine Geschwindigkeit von dreiviertel Sekundenkilometern nicht überschreiten.“
    „Das hat mit unserer Geschwindigkeit nichts zu tun.“
    Erstaunt über diese Erwiderung, konnte ich eine Bemerkung nicht zurückhalten: „Wieso? Am Gravimeter kann man doch die Größe der Gravitation ablesen, und die Kraft, mit der uns die Venus anzieht, ist doch ständig die gleiche.“
    „Es handelt sich nicht um die Gravitation des Planeten“, versetzte Arsenjew ungeduldig. „Ich bitte, meine Anweisungen auszuführen!“
    Ich zuckte die Schultern und blickte auf das Gravimeter. Der Zeiger bewegte sich nicht von der Stelle. Ich wußte jedoch, daß Arsenjew keine unvernünftigen Anweisungen gab. Es war mir zwar rätselhaft, auf welche Weise sich die Anziehungskraft vergrößern sollte; aber ich tat meine Pflicht und sah von Zeit zu Zeit auf die Scheibe des Instrumentes. Eine halbe Stunde vor meiner Ablösung wurde mir telefonisch befohlen, auf vierzig Kilometer zu steigen. Nach den Angaben des Kompasses und des Radargerätes konnte der Talkessel der weißen Kugel nicht mehr weit entfernt sein. Der Motorenlärm wurde stärker, und bereits einige Minuten später schoß der „Kosmokrator“ über die Wolken hinaus. Die Rundung des Planeten war deutlich zu erkennen. Bis an die Grenze des Gesichtskreises reichten die bauschigen Wolken, die in langen Furchen wie ein verschneiter Sturzacker unter uns lagen. Auf einmal meldete sich laut der Summer. Eine der Sicherungen in der Leitung, die das zweite Laboratorium mit Strom versorgte, war durchgebrannt. Sicher hatte dies einer der Wissenschaftler verschuldet. Ich schaltete den Strom, der automatisch unterbrochen worden war, wieder ein und wandte mich dem Prädiktor zu. Als ich an die Schirme trat, bemerkte ich, daß ihr Leuchten etwas nachgelassen hatte. Die Wolken waren dunkler geworden. Silbrig leuchtend, die untere Seite flach, die obere gewölbt – so zogen sie dahin; sie bewegten sich in der gleichen Richtung wie die Rakete.
    Nach einer Weile tat sich mitten im Gewölk ein Trichter auf; glatt und riesengroß, schien er bis in das Innere des Planeten zu reichen – ein Schlund, der die Wolken in sich hineinsog. Ich vermochte kaum noch hinzuschauen; denn rings um mich schwankte und drehte sich alles. Von den Federwölkchen, die in der Höhe des „Kosmokrators“ schwammen, verschwand eines nach dem andern. Sie stürzten mit einer solchen Geschwindigkeit in die Tiefe, als hätte sie eine unsichtbare Faust hinabgeschleudert. Die Wolken unter uns verschmolzen zu einer metallisch glatten, dichten Masse und gerieten in den rasenden Wirbel des Abgrundes. Ich spürte, wie mein Körper schwer wurde. Gleichzeitig ging das Dröhnen der Motoren in ein immer höheres Singen über. Der Prädiktor steigerte fortwährend die Antriebskraft, um der zunehmenden Gravitation entgegenzuwirken, die uns in den Trichter zu ziehen drohte. Es war ein gigantischer Strudel, dessen Durchmesser ich auf über hundert Kilometer schätzte. Der „Kosmokrator“ jagte auf der Bahn einer Sekante darüber hinweg. Ich sah auf das Gravimeter: Die Anziehungskraft wuchs noch immer. Ich brauchte es Arsenjew nicht zu melden; denn er mußte auch ohne Instrumente festgestellt haben, daß sich alle Glieder wie mit Blei füllten und die geringste Bewegung zur Kraftanstrengung wurde. Der Mittelpunkt des Trichters kam näher. Die Rakete wich nicht um ein Haar von der Sekante ab, die sie beschrieb; nur die Motoren gaben einen scharfen, pfeifenden Ton von sich, als würden sie plötzlich bei hoher Geschwindigkeit abgebremst. In diesem Augenblick betrat Arsenjew die Zentrale, gefolgt von Soltyk und Rainer.
    „Natürlich, seht nur, das ist ja der große Fleck“, rief der Astronom.
    „Der große Fleck?“
    „Ja. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher