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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dieser unheilvollen Nachbarschaft zu entfliehen. Als Soltyk die Sicherung ausschaltete, wuchs die Geschwindigkeit beträchtlich, und dadurch gelang es uns, der Gefahr noch rechtzeitig aus dem Wege zu gehen. Die ganze Begegnung, von Anfang bis zum Ende, hatte nicht länger gedauert als anderthalb Minuten. Ich konnte es erst glauben, als ich die Aufzeichnungen vor mir sah, die der Prädiktor automatisch auf einem Filmstreifen festgehalten hatte. Während der lebhaften Diskussion über den Zwischenfall verband Tarland dem Ingenieur den Kopf, richtete Arsenjew den verletzten Knochen ein und schiente ihm die Hand. Plötzlich schaute mich der Astronom an und zeigte gutmütig lächelnd auf fünf blaue Flecke an seinem Unterarm.
    „Gut haben Sie mich gehalten. Das ist Ihr Griff “, sagte er. Dann gingen wir in die Zentrale zurück, um zu untersuchen, ob die Rakete irgendwelche Schäden davongetragen habe. Das läßt sich im Verlaufe weniger Minuten durchführen; denn an allen Knotenpunkten sind Quarzkristalle eingebaut, von denen elektrische Leitungen zur Zentrale führen. Diese Kristalle wandeln jeden Druck in elektrischen Strom um und zeigen an, welche Kräfte und Spannungen innerhalb der Rakete herrschen. Soltyk schaltete das „Piezzoelektrische System“, wie diese Anlage genannt wird, ein. Leuchtindikatoren rückten an die vorgeschriebenen Stellen. Der „Kosmokrator“ hatte nicht den geringsten Schaden zu verzeichnen, wenn man von dem zerschlagenen Eßgeschirr und vier oder fünf Laboratoriumsgeräten absah, die nicht sorgfältig genug befestigt waren.
    Tarland bezweifelte, daß ich imstande sein würde, den Navigationsdienst anzutreten; es gelang mir jedoch, ihn davon zu überzeugen. Nach einer Weile, als bereits alle die Zentrale verlassen hatten, kehrte der Biologe noch einmal zurück und brachte mir Stärkungstabletten. Er verordnete mir, stündlich eine zu nehmen, und ging erst wieder weg, nachdem ich die erste geschluckt hatte. Mir schien es, als ärgere er sich durchaus nicht über das Meteorenabenteuer; denn dadurch hatte er endlich etwas zu tun bekommen.
    Bis zum Ende meines Dienstes las ich immer wieder die Angaben der Instrumente ab und blickte dabei mit einem gewissen Mißtrauen auf den sternenübersäten Leuchtschirm des Televisors. Der sonst so stille und friedliche interplanetare Raum hatte uns heute eine neue, weniger friedliche Seite gezeigt. Um acht löste mich Oswatitsch ab. Bis zum Abendessen spazierte ich wieder im Korridor auf und ab und konnte nun meine vorher unterbrochenen Überlegungen zu Ende denken.
    Nun, da war also noch ein Merkmal der Weltraumflüge: Zwischen ihrem normalen Verlauf und dem gefährlichsten Zwischenfall gab es keinen Übergang. Seeleute und Flieger bemerken die Anzeichen eines heraufziehenden Unwetters lange vorher. Hier aber bricht die Gefahr wie ein Blitz aus heiterem Himmel herein und ist ebenso plötzlich wieder verschwunden. Ich fragte, was wohl geschehen wäre, wenn sich im Innern des Prädiktors irgendein Stromimpuls auch nur um den Bruchteil einer Sekunde verspätet hätte. Als ein zerschmettertes Gespensterschiff würde der „Kosmokrator“, im Strom der Meteore mitgerissen, von einer Unendlichkeit zur anderen fliegen.
    Ich war neugierig, ob der Astronom sein Versprechen halten werde, das er mir am Morgen gegeben hatte. Er hielt es. Als wir uns am späten Abend wieder um den runden Tisch versammelten, erzählte uns Arsenjew ein Erlebnis aus seiner Jugend:
    „Mein Vater war Astronom. Sie haben bestimmt in der Schule seinen Namen gehört, der für immer mit der Theorie der Verschiebung der Spektrallinien und der Resynthese der Materie aus Photonen verbunden ist. Ich kam im Schatten seines gewaltigen Ruhmes zur Welt und wuchs darin auf. Der Vater überragte mich wie ein Berg.
    Alles, was ich während meiner Studien anpackte, jedes für mich noch so gigantische Problem war für ihn nichtig, geringfügig, nicht wert, auch nur mit einem Wort erwähnt zu werden. Nur eines hatte ich ihm voraus: Ich war jung. Als ich mich auf meine Doktorarbeit vorbereitete, lehnte ich das Thema, das er mir vorschlug, ab. Ich wollte alles allein schaffen, ich war ja auch erst zwanzig Jahre alt. Manchmal sagte ich im Scherz zu ihm: ,Von dir wird es später heißen: Ach, das ist ja der Vater des berühmten Arsenjew.‘ Vorderhand war aber immer noch das Gegenteil der Fall. Ich war so ungeduldig, daß ich versuchte, die Hindernisse, die ich verstandesmäßig nicht überwinden konnte,

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