Der Polizistenmörder
würde ihn wiedererkennen.
Deshalb verließ er schon Freitag die Wohnung, um auszugehen. Er nahm die U-Bahn ins Zentrum und trieb sich an den üblichen Plätzen herum. Er mied jedoch solche Orte wie Humlegärden, von denen er wußte, daß die Polizei dort, hauptsächlich um ihren Spaß zu haben, unaufhörlich Razzien veranstaltete. Er gönnte den Bullen die Chance nicht, ihn rein zufällig zu erwischen, nur weil er sich gerade auf eine Parkbank gesetzt hatte, um mit einem anderen zu sprechen, der in Kürze ebenfalls festgenommen werden würde.
Auch am Sonnabend und am Sonntag verließ er das Haus für einige Stunden. Er wußte jetzt, daß sein Bild in allen Zeitungen abgebildet gewesen war, daß die Polizei bei seinen Eltern gewesen war und daß man eine Vielzahl von Razzien in Clubs und bei Bekannten, bei denen er sich irgendwann einmal aufgehalten hatte, vorgenommen hatte. Ihm war auch klar, daß man ihn zu einer Art Volksfeind Nummer eins abgestempelt hatte. Der Polizistenmörder, schlicht und einfach eine Person, die man mit allen Mitteln unschädlich machen mußte.
Kaspers Fehler war, daß er Initiative vermissen ließ und ohne auch nur eine Spur von Planung für den morgigen Tag handelte. Dieser Mangel war ihm wohl bewußt, aber er konnte nicht viel dagegen tun.
Manchmal fragte er sich, wie es dazu gekommen war, daß er sich so entwickelt hatte, und warum es so vielen Gleichaltrigen ebenso zu gehen schien.
Vielleicht lag das an dem Gesellschaftssystem, das ihm völlig widersinnig vorkam, vielleicht auch an der älteren Generation, die für ihr materielles Wohlergehen immer nur plante und plante, ohne ein Ergebnis vorweisen zu können. Die haareraufend über Einkommensteuerformularen oder anderen unbegreiflichen Papieren saß, mit denen die Behörden sie förmlich überschüttete. Menschen, die nachts wach lagen und auszurechnen versuchten, ob das Geld für die Abzahlungen reichen würde, und die gleichzeitig erschreckt über die Zunahme der Arbeitslosigkeit waren. Die sich täglich mit aufputschenden Mitteln vollstopften, um arbeiten zu können, gleichzeitig noch größere Mengen von Beruhigungstabletten nahmen, um abends eine Weile ruhig vor dem Fernseher sitzen zu können, bis es dann Zeit war, die Schlaftabletten zu nehmen, damit man wenigstens einige Stunden lang in einen von Alpträumen begleiteten Schlaf sinken konnte.
Limpan war vom Typ her etwas gelassener als Kasper, aber jetzt war er gezwungen gewesen, sich längere Zeit zurückzuhalten, und fing ebenfalls an, sich nach irgendeiner aktiven Tätigkeit zu sehnen.
Als sie am Sonntagabend herumsaßen und in die Röhre starrten, sagte er dann auch: »Wenn die Polypen dich hier finden und zu knallen versuchen, hauen wir ab. Ich komme auch mit. Ich habe einen feinen Plan, der eigentlich für mich selbst war, aber zu zweit leichter auszuführen ist.«
»Das Häuschen im Wald, meinst du?«
»Genau.« Maggan sagte nichts, aber sie dachte: Bald haben sie euch, Herrschaften. Und dann sind die schönen Tage für diesmal vorbei.
Am Montag wurde Kasper endlich erkannt.
Und zwar von einem älteren Kriminalinspektor in Zivil, der eigentlich nur kontrollieren wollte, ob die Polizisten, deren Aufgabe es war, Limpan unter Bewachung zu halten, dieses auch taten und nicht nur vor sich hin dösten.
Der Kriminalinspektor hieß Fredrik Melander und war einer von Martin Becks alten zuverlässigen Mitarbeitern, der nun schon seit mehreren Jahren beim Einbruchsdezernat beschäftigt war, eigentlich eine der trostlosesten Aufgaben, die man sich bei der Stockholmer Polizei vorstellen konnte. Diebstähle, Einbrüche und Raubüberfälle häuften sich in bedrohlichem Ausmaß, und die Polizei hatte nicht die geringste Chance, diesen Zustand zu ändern. Aber Melander war ein leidenschaftsloser Zeitgenosse ohne Neigung zu Neurosen oder Depressionen. Außerdem hatte er das beste Gedächtnis im ganzen Polizeikorps und war damit nützlicher als die ständig versagenden Computer.
Er parkte seinen Wagen ein kurzes Stück entfernt von dem Haus am Midsommarkransen und bemerkte unmittelbar darauf Ronnie Kaspersson, der von einem kurzen, planlosen Mittagsspaziergang zurückkam. Melander ging ihm nach und stellte fest, daß der Junge die Wohnung von Limpan und seiner Braut betrat.
Dagegen dauerte es eine ganze Weile, bis er den Polizisten gefunden hatte, der um diese Zeit mit der Überwachung beauftragt war. Jener war ein für seine Untauglichkeit bekannter Mann namens Zachrisson,
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