Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
tatsächlich verhindern kann, wäre der Nutzen enorm und ginge möglicherweise in die Billionen von Dollar. Einer gut gemachten Regulierung verdanken wir die jahrzehntelange Stabilität unseres Finanzsystems – Regulierung kann also funktionieren. Zumal in dieser Zeit strenger Finanzmarktregulierung auch die Wirtschaft stark wuchs und die Früchte dieses Wachstums breiter gestreut waren als heute. In der »Liberalisierungs-«Phase dagegen stieg das Einkommen eines typischen Bürgers sehr viel langsamer als in der Ära der Regulierung.
Die Liberalisierung scheitert aus einem einfachen Grund: Wenn soziale Renditen und private Belohnungen nicht kongruent sind, wird jede ökonomische Aktivität einschließlich der Innovation verzerrt. Die Innovationstätigkeit im Finanzsektor zielte nicht auf das Wohl der Amerikaner sondern darauf, das der Banker zu fördern. Zumindest eine Zeitlang gelang das auch. Der Sektor versagte allerdings erbärmlich, wenn es darum ging, die Lage des Durchschnittsamerikaners zu verbessern oder das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft insgesamt anzukurbeln.
Erfolge im Kampf der Ideen
Ich habe den Kampf der Ideen – einschließlich jener, die für die politischen Entscheidungen, die das Ausmaß gesellschaftlicher Ungleichheit bestimmen, von zentraler Bedeutung sind –, skizziert und nachgezeichnet, wie es den Reichen (und den Konzernen) außerordentlich erfolgreich gelang, Wahrnehmungen und Sichtweisen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Einige Kämpfe haben sie jedoch auch verloren oder stehen kurz davor. Der Markt für Ideen ist zwar keineswegs vollkommen, aber trotzdem kompetitiv. Das gibt Grund zur Hoffnung. In den folgenden Passagen beschreibe ich drei Fälle, in denen sich das Blatt gewendet hat:
beim Kampf um staatliche Subventionen und anderweitige Vergünstigungen für Großunternehmen; in den Auseinandersetzungen um die Kontroll- und Steuerungsstrukturen und die politischen Leitlinien des IWF sowie bei der Frage, worin die eigentlichen Ziele staatlichen Handelns bestehen sollten.
Klassenkampf und »Konzernwohlfahrt«
Als Präsident Clinton sein Amt antrat, war die Arbeitslosigkeit hoch und das Haushaltsdefizit ebenso, auch wenn uns beides im Vergleich zu heute gering vorkommen mag. Selbstverständlich loteten wir Möglichkeiten für Haushaltskürzungen aus, die die Effizienz steigern sollten, ohne das Credo des Präsidenten, dass der Mensch im Vordergrund stehen sollte, zu gefährden; vielleicht ließen sich zwecks Konjunkturbelebung auch Haushaltsmittel umstrukturieren. Naheliegende Kandidaten für Streichungen waren die hohen Ausgaben für das, was der damalige Arbeitsminister Robert Reich und ich »Konzernwohlfahrt« nannten, also Subventionen für amerikanische Großunternehmen. Der Wirtschaftswissenschaftliche Beirat erhielt den Auftrag, eine Kürzungsliste zu erstellen – gar nicht so leicht, da sich ein Großteil der Vergünstigungen im Steuergesetz verbirgt. Schon damals standen Subventionen für Banken (zum Beispiel durch IWF-Stützungspakete), für die Landwirtschaft, für Kohle- und andere Bergbaugesellschaften ganz oben auf der Liste.
Ich glaubte, es bestünde innerhalb der Regierung grundsätzlich ein breiter Konsens in dieser Frage, wenn es auch erhebliche Vorbehalte hinsichtlich der konkreten politischen Umsetzung geben mochte. Ich rechnete damit, dass die Ministerien, die die Subventionen vergaben, versuchen würden, ihr Revier zu verteidigen. Was mich überraschte, war die scharfe Kritik des Vorsitzenden des Nationalen Wirtschaftsrates (und späteren Finanzministers) Bob Rubin: Er behauptete, wir würden versuchen, einen Klassenkampf vom Zaun zu brechen. Damit hatten unsere Vorschläge natürlich nicht das Geringste zu tun. Für eine Regierung aus Demokraten, die sich auf die Wiederbelebung der Wirtschaft und darauf konzentrierte, die Lebenssituation der einfachen Bürger zu verbessern, waren teure Subventionen, die die Wirtschaft verzerren und die Lebensverhältnisse weiter auseinanderdriften lassen, schlichtweg nicht zu
rechtfertigen. Zu behaupten, es gebe keine drastischen Disparitäten, keine beträchtlichen Verwerfungen in unserer Gesellschaft, hieße im Übrigen, den Kopf in den Sand zu stecken. Warren Buffett brachte es auf den Punkt, als er sagte: »Seit zwanzig Jahren tobt hier der Klassenkampf, und meine Klasse hat ihn gewonnen.« 67 Aber der Vorwurf des Klassenkampfs suggeriert, dass diejenigen, die die Subventionen zurückfahren wollten,
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