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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Stiglitz
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Rezession die Aufmerksamkeit auf das Auseinanderdriften der Vermögensverhältnisse in Amerika lenkte – und dadurch den Mythos zerstörte, alle Amerikaner hätten von dem Wachstum des vergangenen Vierteljahrhunderts profitiert –, so räumte sie auch mit zwei weiteren Mythen auf: den Vorstellungen, dass Inflationsbekämpfung ein Eckpfeiler ökonomischen Wohlstands sei und dass eine unabhängige Zentralbank die gesamtwirtschaftliche Stabilität am ehesten gewährleiste.
    In diesem Kapitel werde ich erläutern, in welcher Weise die Geldpolitik die gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit schwächte und gleichzeitig die Ungleichheit immer weiter vorantrieb. Es gibt wirtschaftspolitische und institutionelle Alternativen, die nicht nur produktiveres und stabileres Wachstum, sondern auch eine gerechtere Verteilung der Früchte dieses Wachstums versprechen – und dieses Versprechen einhalten.

Deregulierung: Die treibende Kraft des Finanzkapitalismus
    Die Dienstbeflissenheit gegenüber den Geschäftsbanken verweist auf den Hauptbeitrag der Notenbank und anderer Zentralbanken zur Ungleichheit: Weder regulierten sie den Sektor ausreichend, noch setzten sie die geltenden gesetzlichen Vorschriften in ausreichendem Maße durch. Die Deregulierung des Finanzmarktes, die unter Präsident Reagan begonnen hatte, erreichte damit ihren Höhepunkt. Die US-Notenbank
und ihr damaliger Chef Alan Greenspan waren maßgeblich an dem Abbau jenes Ordnungsrahmens beteiligt, der dafür sorgte, dass das Finanzsystem in den Jahrzehnten nach der Weltwirtschaftskrise der Wirtschaft und dem Land insgesamt so gute Dienste geleistet hatte. Sie waren auch maßgeblich daran beteiligt, neue Vorschriften zu verhindern, die dem Wandel des Finanzsektors Rechnung getragen hätten, etwa der Entwicklung von Derivaten, die die Stabilität des Finanz- und Wirtschaftssystems bedrohten. 21
    Diese Deregulierung hatte zwei Konsequenzen, die eng miteinander zusammenhingen und auf die hier bereits hingewiesen wurde. Erstens führte sie zur Finanzialisierung der Volkswirtschaft – mit allen damit verbundenen Verzerrungen und Ungerechtigkeiten. Zweitens ermöglichte sie es den Banken, den »kleinen Mann« auf breiter Front auszunehmen  – durch unlautere Kreditvergabe, exorbitante Kreditkartengebühren und andere Praktiken. Die Banken wälzten die Risiken auf die Armen und den Steuerzahler ab: Wenn die Dinge nicht so liefen, wie die Kreditgeber es vorhergesagt hatten, mussten andere die Folgen tragen. Die Notenbank hat dies nicht nur nicht verhindert, sie hat es geradezu gefördert. 22 Aus Sicht der Gesellschaft haben die Banken den Menschen eindeutig nicht dabei geholfen, Risiken wirksam abzusichern; vielmehr haben sie diese Risiken überhaupt erst erschaffen. Viel erfolgreicher waren die Banker dagegen bei ihrer persönlichen Risikoabsicherung. Sie brauchten für die Konsequenzen ihres Handelns nicht einzustehen.
    Die Position der US-Notenbank in der Debatte um eine effizientere staatliche Regulierung im Anschluss an die Krise zeigte, wem sie sich verbunden fühlte. Der Ordnungsrahmen hätte so gestaltet werden sollen, dass er die Banken dazu ermunterte, sich wieder dem langweiligen guten alten Kreditgeschäft zuzuwenden. Eingedenk der Tatsache, dass die Banken, die zu groß waren, um sie pleitegehen zu lassen, krasse Fehlanreize erhalten hatten, hätten die Verantwortlichen sich darauf konzentrieren sollen, die Größe und Verflechtung der Banken zu begrenzen. Zudem haben »systemrelevante« Banken einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Banken: Diejenigen, die ihnen Finanzmittel zur Verfügung stellen, wissen, dass sie auf eine implizite Staatsbürgschaft vertrauen können, und aus diesem Grund bieten sie ihnen Geld zu vergleichsweise niedrigen Zinsen an. Daher können die Großbanken glänzende Geschäftszahlen vorlegen, nicht etwa weil sie effizienter wären oder einen
besseren Service bieten würden als die Konkurrenz, sondern weil der Steuerzahler sie de facto subventioniert. Da wir es unterlassen haben, diesen Vorteil durch eine Steuer auszugleichen, machen wir den »systemrelevanten« Banken noch ein großes Geschenk. 23 Die Erkenntnis, dass überhöhte Boni Finanzprofis Anreize zum Eingehen unvertretbar hoher Risiken und zu kurzsichtigem Verhalten lieferten, hätte auch Anlass sein müssen, strenge rechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Prämiensysteme zu machen. Und in dem Wissen um das hohe Risiko, das mit einer unzureichenden

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