Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)
Staatsausgaben können die Wirtschaft sogar noch stärker stimulieren, wenn sie in hochproduktive Investitionen fließen, darunter solche, die den wirtschaftlichen Strukturwandel fördern. Jenseits der hohen direkten Renditen dieser Investitionen gibt es weitere Nutzeneffekte: Die Erträge privater Investitionen steigen, so dass verstärkt von privater Seite investiert wird; das Defizit wird mittelfristig reduziert, und dies sollte nicht nur Vertrauen einflößen, sondern die Verbraucher, da sie erkennen, dass ihre zukünftige Steuerbelastung vermutlich geringer ausfallen wird, dazu veranlassen, auch heute mehr zu konsumieren. 50 Selbst der private Konsum zieht an.
Für Strukturreformen ausgegebene staatliche Gelder – die mit dazu beitragen, Ressourcen aus älteren, weniger wettbewerbsfähigen Sektoren in neue Sektoren umzuleiten – beleben die Wirtschaft, und die höheren Einkommen verschaffen Privatpersonen und Unternehmen die Mittel, um sich an den ökonomischen Strukturwandel anzupassen.
In vielen europäischen Ländern, die Sparprogramme umsetzen, bedarf es gleichzeitig zügiger Strukturreformen. Die Strukturreformen, auf die sie sich konzentrieren, sehen allerdings vielfach keine staatliche Unterstützung für die sektorale Neuausrichtung der Volkswirtschaft vor. Vielmehr greift man auf eine Mischung aus kontraproduktiven Maßnahmen (Herabsetzung des Mindestlohns) und Maßnahmen, die politische Renten – Einkommen im Sinne des Rent-Seeking – beschneiden sollen (wie eine effektivere Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und den Abbau von Konzessionsauflagen), sowie auf Maßnahmen zurück, deren Wirkung nicht eindeutig ist: übereilte Privatisierungen, die in vielen
Ländern sogar noch mehr Möglichkeiten zum Abschöpfen politischer Renten schufen und die Effizienz beeinträchtigten.
Diese Reformen werden mit ambitionierten Botschaften – »damit wir wettbewerbsfähiger werden« – garniert. Selbst wenn diese Reformen in historisch beispiellosem Tempo umgesetzt würden, dauerte es Jahre, ehe ihre Früchte voll zum Tragen kämen. Diese Reformen kommen jedoch bestenfalls (wenn sie gut durchdacht sind, was bei vielen nicht der Fall ist) der Angebotsseite der Wirtschaft zugute; die Schwächen im heutigen Wirtschaftsgeschehen betreffen jedoch die Nachfrageseite, und sinkende Arbeitnehmereinkommen, entweder infolge von Entlassungen oder von Lohnkürzungen, verringern lediglich die Gesamtnachfrage und das BIP und erschweren denjenigen, die unmittelbar von dem Strukturwandel betroffen sind, die erfolgreiche Anpassung. Wenn jetzt nichts zur Ankurbelung von Nachfrage und Wachstum getan wird (und die meisten der europäischen Programme scheinen diesbezüglich wenig oder gar nichts anzukurbeln), werden effizienzverbessernde Strukturreformen nur bewirken, dass die Wirtschaft weniger Arbeitskräfte braucht, ganz gleich, wie viel Output sie produziert. So wünschenswert die Strukturreformen auf lange Sicht auch sind, drohen sie doch kurzfristig die Arbeitslosigkeit zu erhöhen und den Output zu verringern.
Zum Schluss
Die Rezepte der Banker und anderer Spitzenverdiener zur Krisenbewältigung – Lohn- und Etatkürzungen – werden unsere Volkswirtschaften nicht wieder zum Blühen bringen. Es ist sogar fraglich, ob ihre politischen Empfehlungen unter den gegenwärtigen Bedingungen einer schwachen Konjunktur überhaupt zu einer nachhaltigen Verringerung des Defizits führen werden: Ein niedrigeres BIP und höhere Arbeitslosigkeit bedeuten geringere Steuereinnahmen und höhere Ausgaben. Und es steht auch dahin, ob sie tatsächlich im Interesse des obersten einen Prozents sind, auch wenn man leicht nachvollziehen kann, weshalb es dies glauben mag. Durch Lohnkürzungen (»stärkere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes«) werden die Unternehmensgewinne erhöht, sofern der Umsatz konstant bleibt. Außerdem geht es den Banken vor allem darum, ihre Außenstände hereinzuholen. Sie denken typischerweise
an einen Haushalt, der ihnen Geld schuldet. Aber die Analogie zwischen dem Haushalt und der Volkswirtschaft ist falsch: Die Kürzung von Staatsausgaben zerstört die Nachfrage und Arbeitsplätze. Ein privater Haushalt verfügt nicht über das nötige Geld, um seine Schulden bei der Bank zu tilgen, wenn zeitgleich mit Ausgabenkürzungen sein Einkommen sinkt. Und die Rückzahlung wird dem Haushalt sogar noch schwerer fallen, wenn sein Einkommen um ein Vielfaches des Betrages sinkt, um den er seine Ausgaben gekürzt
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