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Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition)

Titel: Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Stiglitz
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hat – aber genau dies geschieht, wie Ökonomen nachgewiesen haben.
    Bemerkenswert ist, wie viele Leute – Experten und gewöhnliche Bürger, Amtsträger und andere – dem Mythos der Sparsamkeit und dem Mythos, das Staatsbudget sei mit dem Budget eines privaten Haushalts zu vergleichen, auf den Leim gegangen sind. Ein gleichlautendes, besonders raffiniertes Argument, das die Konservativen gegen makroökonomische Eingriffe vorbringen, hat ebenfalls breite Resonanz gefunden: Es gab ein Konjunkturpaket. Die Wirtschaftslage verbesserte sich nicht. Sie verschlechterte sich sogar. Ergo: Das Konjunkturpaket hat nichts gebracht. Aber der Stimulus hat durchaus gewirkt; er sorgte nämlich dafür, dass die Arbeitslosigkeit nicht noch höher ausfiel.
    Das oberste eine Prozent hat die Budgetdebatte an sich gerissen und absichtlich tendenziös verzerrt, indem es nachvollziehbare Bedenken gegen überhöhte Staatsausgaben als Deckmantel für ein Programm zum Staatsabbau benutzte, ein Programm, das heute die Konjunktur schwächen, das zukünftige Wachstum verringern und, was für die Fragestellung dieses Buches besonders wichtig ist, die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter öffnen wird. Die Superreichen sahen die haushaltspolitische Kontroverse zudem als Gelegenheit, für ein geringeres Maß an Steuerprogression und eine Kürzung der ohnehin schon eingeschränkten sozialen Sicherungssysteme zu plädieren.
    Angesichts der strukturellen Schwächen unserer Wirtschaft (unzureichende Nachfrage in der Gegenwart und unzureichende Investitionen in die Zukunft) konzentriert sich der Defizitfetischismus auf das falsche Problem, zumindest im Moment. Doch selbst wenn man sich dem Defizitfetischismus anschließen wollte, gibt es, wie wir gezeigt haben, eine alternative Steuer- und Ausgabenpolitik, die gleichzeitig die ökonomische Effizienz steigern, die gesamtwirtschaftliche Produktion erhöhen und die Arbeitslosigkeit senken sowie eines der brisantesten Probleme
der USA, die zunehmende Verteilungsungerechtigkeit, entschärfen könnte.
    Eine Hauptursache für Einkommensgefälle ist Arbeitslosigkeit. Nicht nur die Arbeitslosen, sondern auch die Erwerbstätigen verzeichnen Einkommensverluste, da hohe Arbeitslosigkeit die Löhne stark unter Druck setzt. Da die parteipolitische Blockade in den USA fiskalpolitische Maßnahmen (Steuern und Ausgaben) zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung weitgehend ausschließt, hat sich die Hoffnung auf die Geldpolitik verschoben. Wie in diesem Kapitel aufgezeigt, könnte sich die Lage noch weiter verschlechtern: Der Defizitfetischismus könnte in eine strenge Sparpolitik münden, die die Wirtschaft weiter abwürgen und der Geldpolitik eine noch größere Bürde auferlegen würde. Aber ist die Geldpolitik dieser Aufgabe gewachsen? Im nächsten Kapitel werde ich zeigen, weshalb die Geldpolitik das Gemeinwohl nicht in der Weise gefördert hat, wie sie es hätte tun sollen: Sie diente vor allem dem Finanzsektor und den Interessen der oberen Zehntausend.

KAPITEL 9
Eine makroökonomische Politik und eine Zentralbank von dem einen Prozent für das eine Prozent
    Es mag einige Leser verwundern, in einem Buch über Ungleichheit auf ein Kapitel über Makroökonomik zu stoßen: jenes Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre, das sich mit der Konjunktur, der Gesamtproduktion (Output, BIP) und der Beschäftigung sowie mit Zinsen und Inflation befasst. Dabei wirkt sich nichts stärker auf das Wohl der meisten Bürger aus als der gesamtwirtschaftliche Zustand – ob Vollbeschäftigung gegeben ist und wie hoch das Wachstum ist. Und wenn die makroökonomische Politik versagt und die Arbeitslosigkeit stark ansteigt, dann leiden die Armen und Schwachen am meisten darunter. Ganz allgemein hat die makroökonomische Politik erhebliche Auswirkungen auf die Einkommensverteilung. Politische Entscheidungsträger sollten sich dessen bewusst sein, aber sie handeln oft so, als ob das nicht der Fall wäre. Tatsächlich wird die Einkommensverteilung in der Makroökonomik nur selten thematisiert, und genau das ist der Punkt.
    Die Hauptaufgabe der Wirtschaftspolitik besteht darin, die gesamtwirtschaftliche Stabilität zu wahren. Die Große Rezession liefert uns in dieser Hinsicht ein anschauliches Beispiel für ein kolossales Versagen. Und dieses Versagen hat den einfachen Bürgern Amerikas – Arbeitern, Hausbesitzern und Steuerzahlern – eine enorme Bürde auferlegt. Ich habe gezeigt, wie das Versagen der Makroökonomik

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