Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
Vom Netzwerk:
Männer. Die meisten von ihnen kannte Belvk zumindest vom Sehen her – sie gehörten allesamt zur Arbeiterschaft des Pilzkönigs.
Diejenigen, die seit Tagen vermisst wurden, wie Belvk schnell feststellte, als zumindest sein Verstand sich teilweise aus seiner Starre befreite.
Wie emsige Bienen umschwirrten die Männer ihre Königin, eine große, schlanke Frau mit üppigen Rundungen und kurz geschnittenem dunklen Haar, die auf der großen Stätte lag. Bei genauerem Hinsehen erkannte Belvk jedoch, dass das Licht der Fackeln über eine Haut zuckte, die nicht einfach nur besonders blass war, wie er zunächst angenommen hatte, sondern eher ... hellgrau.
»Der Troll!«, entfuhr es ihm laut.
Woraufhin die Männer ihr Kokettieren, Werben, Umsorgen, Scherzen und Lachen sofort einstellten. Zwanzig Köpfe drehten sich unisono zum Höhleneingang um und starrten Belvk und Lorn finster an. Ein paar der Kerle griffen nach Knüppeln und Keulen oder langen Knochen, um Belvk und dem Jagam mit grimmiger Miene den Weg zu ihrer Königin zu versperren.
Lorn stellte sich schützend vor Belvk.
»Ich glaube nicht, dass das nötig ist«, brummte er, hob aber trotzdem vielsagend die Axt.
»Ruhig Blut, Jungs!«, ertönte da eine vertraute Stimme aus dem Zentrum der erregt murmelnden, kollektiv finster dreinschauenden Versammlung verschollen geglaubter Sammler.
Bewegung kam in die Gruppe, als sich der Besitzer jener Stimme nach vorn schob und Belvk und Lorn entgegen trat.
»Hätte ich mir denken können«, murmelte Lorn müde, als er in das grinsende Gesicht von Visco DeRául blickte.
*
    Belvk konnte es immer noch nicht ganz fassen.
Ursprünglich war er aufgebrochen, um mit einem Jagam auf Trolljagd zu gehen – von Haus aus ein fragwürdiges Abenteuer, das ihn aus der zermürbenden Eintönigkeit seines Alltags reißen sollte. Nun aber saß er, umringt von zwanzig anderen Erntehelfern in Duriks Diensten, in einer riesigen Höhle mitten im verbotenen Herzen des Waldes, die trotz ihrer abweisenden Front und verrufenen Lage wie ein Königspalast ausgestattet war. Hier wiederum lauschte er dem Gespräch zwischen dem Jagam, seinem bleichen Gefährten und der Trollfrau, die wie eine sinnliche Königin auf ihrem Diwan aus Pelzen, Decken und Teppichen lag und sich zwischendurch mit schlanken Fingern eine wilde Beere aus einem geflochtenen Korb in den Mund schob – ein hinreißender Anblick, wohlgemerkt.
Verstohlen musterte Belvk die ausgestreckt daliegende Frauengestalt, deren Lippen sich gerade genüsslich um eine dunkelrote Frucht schlossen.
Der Junge schluckte hart. Auch aus der Nähe betrachtet war die Trollin noch von verblüffend menschlicher, wenn auch exotischer Schönheit. Ihre gräuliche Haut schien nicht hart wie Marmor oder Granit zu sein, strahlte stattdessen Wärme und Hitze aus – man wollte sie berühren, sie streicheln. Das kurz geschnittene, schwarze Haar der Trollin hatte auch nicht die Beschaffenheit alter, verfilzter Baumflechten, wie Belvk erwartet hatte, sondern glänzte trotz der burschikosen Kürze wie die Seidenmähne eines vollblütigen Pferdes. Die großen dunklen Augen in dem hübschen Gesicht erinnerten Belvk an die Mädchen aus dem Süden, die zum Ende der Saison häufig erschienen, um bei der Ernte zu helfen.
Lange Beine, hübsche Augen, volle Lippen, schöne Kurven und ein ordentlicher Hauch Exotik – so sehr Belvk auch versuchte, sich an die grausigen Geschichten von menschenfressenden Monstern zu erinnern, so wenig konnte er sich letztlich der Anziehung der Trollin entziehen.
Es war ein schwacher Trost, dass anscheinend auch die restlichen Männer in der Höhle dieser Anziehung erlagen.
Alle bis auf den Jagam. Dessen Gesicht hatte sich mit jeder Minute, die er neben seinem Partner und der Trollin gesessen hatte, um der Geschichte der grauhäutigen Herrin der Höhle zu lauschen, weiter verfinstert ...
*
    Warum war er eigentlich nicht von selbst drauf gekommen? Wenn Visco DeRául für unbestimmte Zeit abtauchte, dann hatte das meistens mit einer Frau zu tun. Prinzessin, Bauernmädchen, Herzogstochter, Trollin ... ganz egal. Warum sollte das in diesem Fall anders sein? Etwa nur, weil sie einen für ihre Reisekasse immens wichtigen Auftrag hatten und sich auf Trolljagd befanden?
Lorn seufzte leise. Wenigstens hatte er mit seiner Vermutung, was die Herkunft des Trolls anging, recht behalten.
Mersina war tatsächlich eine Ausgestoßene ihres Clans. Ihr Vater, Häuptling eines kleinen Stammes in den Bergen, hatte einst

Weitere Kostenlose Bücher