Der Preis des Lebens
gegen den Druck protestierten.
Im nächsten Moment traf etwas Hartes die Schläfe des Vampirs.
Visco spürte noch, wie er sich auf die Zunge biss und ein kupferner Geschmack seine Mundhöhle flutete, roch noch kurz das feuchte Moos, nachdem er zu Boden gegangen war.
Dann war da nur noch nebelverhangene Dunkelheit.
2.
Lorn stand mit vor der Brust verschränkten Armen im Schatten der Bäume und starrte dem letzten Karren, der träge aus dem Wald rumpelte, grimmig entgegen. Auf dessen Ladepritsche tummelten sich neben drei Dutzend randvoll gefüllten Körben und Butten zwei müde grunzende Suchschweine und etwa fünfundzwanzig zerschlagen dreinschauende Sammler, die stöhnend vom Wagen kletterten, kaum dass das Pony auf einen Ruck an den Zügeln hin anhielt. Duriks Vorarbeiter eilten dem Wagen mit Klemmbrettern und Kohlestiften in hölzernen Fassungen entgegen, um anhand der speziell mit Symbolen gekennzeichneten Körbe festzuhalten, welcher Sammler wie viel Ertrag gebracht hatte und entsprechend entlohnt werden würde.
Lorn interessierte das tägliche Ritual nicht.
Für ihn zählte nur, dass Visco wieder nicht dabei war.
Der Jagam schnaubte genervt. Es war nicht etwa so, dass er sich direkt Sorgen machte – Visco konnte auf sich selbst aufpassen. Aber irgendetwas machte den Nachtjäger nervös. Eine Ahnung oder vielmehr ein Gefühl , dass irgendetwas im Wald nicht mit rechten Dingen vor sich ging, etwas nicht stimmte. Es war wie mit den Knochenschmerzen eines alten Mannes, der vier Stunden vor dem ersten Tropfen und trotz strahlenden Sonnenscheins von einem Unwetter sprach und sein Vieh unter dem Spott der jüngeren Bauern von der Weide holte.
»Ihr wartet auf Euren Freund, nehme ich an.«
Lorn brauchte sich nicht umzudrehen, um den Sprecher zu erkennen. Hinter ihm stand der junge Blondschopf mit den Katzenaugen, den er am Morgen so rüde abgefertigt hatte.
»Das gehört ihm, oder?«
Etwas Dunkles flatterte von hinten in Lorns Sichtfeld.
Jetzt drehte der Jagam sich um.
Der Jüngling hielt Viscos Umhang in der Hand.
Staubig, zerschlissen und zerknittert, wehte das schwarze Stück Stoff wie eine böse Vorahnung im Wind.
»Wo hast du das her?«, fragte Lorn tonlos.
Eine groteske Mischung aus Hoffnung und Genugtuung zuckte über das Gesicht des jungen Mannes.
»Ich zeige es Euch«, schlug er hintersinnig vor und konnte seine alberne, kindische Befriedigung dabei kaum verbergen.
Lorn starrte den Burschen ein paar Sekunden lang ausdruckslos an.
Dann nickte er knapp und schritt als erster in Richtung Wald.
Eines der Suchschweine neben dem von Duriks Vorarbeitern gesichteten Karren grunzte laut, als sie vorbeikamen.
Es klang wie das Rülpsen eines satten Trolls.
*
»Hier hat er gehangen. In den Wedeln da.«
Der Junge, der sich zuvor als Belvk vorgestellt hatte, fuchtelte vage in Richtung einer ausladenden Blautanne am Rand der kleinen, unförmigen Lichtung, die arg vom Unterholz bedrängt wurde. Lichtung war ohnehin zu viel gesagt, da der Wald sich einen Großteil der einstmals wohl halbwegs freien Fläche in seinen Eingeweiden bereits zurückerobert hatte und man den Himmel zwischen den Baumwipfeln kaum noch sah.
Lorn ging in die Hocke und untersuchte den Boden.
Schwarze Lederfinger strichen sanft über Erde, Moos und Gras, um eine Szene aus der Vergangenheit heraufzubeschwören und im Hier und Jetzt Gestalt annehmen zu lassen.
Der Jagam erkannte auf Anhieb Viscos Stiefel und die großen Hufspuren, die zu einem Elch gehörten. Zwei Elchen , um genau zu sein. Doch zwischen all dem machte er noch eine andere Fährte aus, bei deren Anblick der Nachtjäger die narbige Stirn runzelte. Sie passte nicht in das Bild, das Visco und er sich bisher gemacht hatten. Nachdenklich folgte Lorn jener seltsamen Fährte bis zur anderen Seite der verwilderten Lichtung, wo die Spuren nun tiefer, als habe sich der Verursacher ein Gewicht auf die Schultern geladen – im Unterholz verschwanden.
Lorn wartete nicht ab, ob der nervös von einem Bein aufs andere tretende Belvk ihm folgte, sondern tauchte wie ein Schatten einfach in das struppige, grünbraune Dickicht ein.
*
Immer tiefer drangen sie so in den Wald vor.
Lorn hielt regelmäßig an, damit er den torfigen Boden und dessen Auswüchse untersuchen konnte. Er rieb mit seinen behandschuhten Fingern an geknickten Ästen oder strich nachdenklich über platt gedrückte Mooskissen und zerwühlte Laubhaufen, ehe sein junger Begleiter und er wieder vierzig, fünfzig Meter Boden gut machen, wo
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