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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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Lorn sich dann erneut auf die Hacken oder ein Knie niederließ, um der Erde mit seinen tastenden, wissbegierigen Fingern zu Leibe zu rücken.
Die Bäume traten in der Zwischenzeit immer dichter zusammen, bis die allgegenwärtige, drückende, stickige Düsternis nur noch einen Schluss zuließ.
Belvk schauderte plötzlich und warf einen raschen Blick zurück über die Schulter. Tausend Augenpaare schienen ihn anzublinzeln, direkt aus dem Inneren des Waldes.
Dem Herzen des Waldes. Von dort, wo angeblich die Geister hausten.
*
    Belvk sah, dass den Jagam etwas beschäftigte. Wahrscheinlich hatte es mit den Spuren zu tun, die der Jäger auf der kleinen, vom Forst umzingelten Lichtung gefunden hatte.
Irgendwann ließ sich der junge Sammler von der nachdenklichen Stimmung seines Begleiters anstecken und brütete auf ihrem Weg durch den Wald ebenfalls stillschweigend vor sich hin, obwohl ihn andere Fragen beschäftigten als den Jäger.
Belvk fragte sich vor allem, wieso er eigentlich mitgekommen war. Die verwilderte kleine Lichtung vorhin hatte schon bei großzügiger Auslegung am Rand jenes Gebietes gelegen, das Duriks Erntehelfer durchstöbern durften. Das Innere des Waldes war tabu. Wer sich dabei erwischen ließ, im Herzen des Waldes zu wildern , wurde sofort entlassen. Wenn er denn überhaupt zurückkehrte.
Glaubte man den Geschichten, die von den älteren Sammlern erzählt wurden, dann hausten und spukten in den Tiefen des Waldes uralte, böse Geister, die alles Leben verschlangen und in der ewigen Dunkelheit des Forstes verschwinden ließen.
Und egal was an diesen schaurigen Geschichten dran war: Mit den Tiefen des Waldes war wohl wirklich nicht zu spaßen, wie zuletzt der Troll immer wieder bewiesen hatte.
Entsprechend beunruhigend fand Belvk die Vorstellung, dass er und der Jagam just dieses dunkle, brütende Zentrum des Waldes inzwischen endgültig erreicht hatten.
Diese Erkenntnis sorgte dafür, dass Belvk versuchte, so nahe wie möglich an seinem gerüsteten Führer dran zu bleiben – was gar nicht so leicht war, da der Junge dem mürrischen Nachtjäger nicht jedes Mal gegen den Rücken prallen oder gar über ihn stolpern wollte, wenn der Jagam wieder einmal unvermittelt anhielt, um den Waldboden zu begutachten.
Nachdem Belvks Nacken immer heftiger prickelte und der Jagam ihn diverse Male rüde angeschnauzt hatte, da Belvk ihn trotz aller guten Vorsätze doch halb über den Haufen gerannt hatte, war der junge Sammler der ganzen Sache endgültig überdrüssig. Inzwischen ärgerte sich Belvk maßlos über sich selbst und darüber, der Versuchung des Abenteuers erlegen zu sein. Sicher, die dornengekrönte Jagam-Rüstung seines Führers versprach Aufregung und Gefahren – aber war es wirklich das, was Belvk sich wünschte und in seinem Leben vermisste?
Er hasste die Monotonie und Unbedeutsamkeit seines Alltags als Erntehelfer in Duriks Diensten, ja, keine Frage. Er hasste es, eine Arbeit auszuüben, die er nur des Geldes wegen tat, damit er sich in drei, vier Jahren vielleicht eine Kunsthandwerker-Ausbildung in einer angesehenen Töpferei in Namask oder sonst wo würde leisten können. Und ein Teil von ihm wollte dem Jagam, der am Morgen so unverschämt zu ihm gewesen war, wohl auch etwas beweisen, nachdem er schon den zerschlissenen Umhang von dessen Gefährten gefunden hatte.
Aber war ein vermeintliches Abenteuer und irgendein Beweis, um den sich der Jäger vermutlich keinen Deut scherte, es wirklich wert, dem Jagam blindlings hinterher zu eilen? Ihm bei der Jagd auf einen Troll zu begleiten? Und dann auch noch direkt in das verrufene Herz des Waldes?
Wahrscheinlich nicht. Doch alles Grübeln half letztlich nichts: Belvk hatte sich auf das fragwürdige Abenteuer eingelassen, und jetzt waren sie zu weit in die verrufenen Tiefen vorgedrungen, um noch einmal allein umzukehren.
Also folgte er dem Nachtjäger trotz all seiner unguten Gefühle immer weiter durch den finsteren Wald.
*
    Der Boden stieg immer stärker an, bis Belvk das Gefühl hatte, einen bewaldeten Hügelkamm zu erklimmen und vor lauter Bäumen nur den Berg nicht zu sehen. Er hatte gar nicht gewusst, dass der Wald teilweise solch frappierende Steigungen und überhaupt solch unterschiedliches Gelände bereit hielt. Vor einer Viertelstunde erst waren er und der Jagam durch eine fast ebenso breite wie tiefe Rinne geklettert, die den Wald wie eine schmale Schlucht zerteilte, als wäre hier vor Anbeginn der Zeit einmal ein mächtiger Strom

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