Der Preis des Lebens
Zotteln und den morbiden Schädelhauben strahlten von innen heraus, vor Ärger und etwas, das glaubensstarkem Eifer wohl noch am nächsten kam.
Der Jagam verzog das Gesicht. Als ehemaliger Diener der Kirche erkannte Lorn religiösen Fanatismus, wenn er ihn sah.
Er trat einen Schritt nach vorn.
»Was wollt ihr?«, rief er klar und deutlich.
Die Kobolde verstanden die Worte nicht, starrten Lorn jedoch feindselig an, machten obszöne Gesten in seine Richtung und schienen ihren gesamten Hass für den Augenblick einzig und allein auf den Nachtjäger zu konzentrieren. Die Krieger in der ersten Reihe fletschten gar wie tollwütige Wiesel die Zähne, spuckten und fauchten.
Da trat ein besonders alter, ausgemergelt wirkender Kobold nach vorn. Er trug einen Umhang aus Biberfell und einen Eichhörnchenschädel auf dem Kopf, der von einem kleinen nachgebildeten Geweih aus Ästen gekrönt wurde. Auch er starrte finster zum Höhleneingang, bis er plötzlich einen seiner spindeldürren Arm nach oben riss. In seiner knochigen Faust umklammerte der Schamane einen halbwegs geraden Wurzelstab; der alte Kobold stieß ein heißeres Bellen und Gackern aus, das sich in einen ekstatischen Schrei wandelte. Immer und immer wieder reckte er seinen Stab in Richtung Himmel und ließ seinen schrillen, heulenden Ruf erklingen.
»Ayk! Yak! Yak! Yak! Ayk!« Bald schon rissen auch die restlichen Kobolde ihre Waffen nach oben und brüllten wie am Spieß, stapften mit den Füßen auf oder schlugen mit den Schäften ihrer primitiven Waffen gegen die lederbezogenen Rundschilde, die sie trugen.
So klein die Kobolde auch sein mochten – sie machten einen Höllenlärm. Die Luft vor der Höhle summte regelrecht.
Visco schnitt eine Grimasse. Seine Sinne brachten ihn fast um den Verstand. Am liebsten wäre er in die Höhle geflüchtet.
»Und jetzt?«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Sieht mir nach einem Revierproblem aus.«
»Das würde zu dem passen, was dein Holzfällerkumpel gestern erzählt hat.« Lorn griff nach hinten und zog in einer fließenden, fast anmutigen Bewegung Axt und Schwert. »Die werden wir wohl nur auf eine Art los.«
Visco seufzte. »Das gute alte Hauen und Stechen, schätze ich.« Auch der Vampir zog sein Rapier blank.
Da deutete der Kobold-Schamane mit dem geschwungenen Ende seines Wurzelstabes auf die so eben gezückten Waffen und kreischte erneut. Das Heer jubelte und machte ordentlich Krawall – und preschte dann mit lautem Gebrüll und rasselnden Waffen auf die Höhle zu. Wie eine Flutwelle ergossen sich die kleinen Leiber über die freie Fläche zwischen dem zerklüfteten Höhleneingang und dem schattigen Waldrand.
In diesem Moment erschien Mersina im Eingang ihres Domizils.
»Was soll der Radau?«, fragte die Trollin.
Unvermittelt ging da ein Ruck durch die Front der Kobolde.
Die Krieger aus den Tiefen des Waldes stolperten und bremsten ihren Lauf mitten in der Vorwärtsbewegung jäh ab. Dadurch, dass die Kobolde, die der Rampe am nächsten waren, abrupt stehen blieben, wurden sie von den nachdrängenden Kriegern, die nicht schnell genug anhalten konnten, zu Boden geschubst. Ein heilloses Durcheinander mit Flüchen in einer fremden, kehligen Sprache war die Folge.
Bald kniete jedoch nicht nur die erste Angriffsreihe des Kobold-Heeres, sondern auch alle anderen tätowierten Kämpfer, einschließlich des Schamanen hinter den Reihen, dessen Geweih aus der Menge sich in den Staub werfender Kobolde ragte.
Den Blick niedergeschlagen, warfen die Stammeskrieger immer und immer wieder erst beide Arme in die Luft, nur um sie dann mitsamt ihrer kleinen, tätowierten Oberkörper wieder in Richtung Boden zu schleudern. Dieses Ritual wiederholten sie unermüdlich, ohne dass einer auch nur kurz den Blick hob.
»Interessant«, bemerkte Visco und senkte langsam sein Rapier. »Du scheinst die kleinen Kerle mächtig zu beeindrucken, meine Liebe.«
Der Vampir, Lorn, Mersina und Duriks Männer, die sich inzwischen im Eingang des Höhlenpalastes drängten, sahen den Kobolden eine Weile schweigend zu.
»Sprecht zu Eurem Volk, Prinzessin«, sagte Visco nach einiger Zeit schließlich und trat mit einem übertriebenen Kratzfuß zur Seite.
*
Das nunmehr arbeits- und feindlose Koboldheer lagerte auf der freien Fläche vor der Höhle, währenddessen der Schamane und der Häuptling des Stammes im Inneren auf einem schnell errichteten Berg aus Teppichen, gefalteten Decken und aufgeplusterten Seidenkissen saßen, um sich auf ungefähr
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