Der Preis des Verrats (German Edition)
sie heute Morgen gefunden“, antwortete Caitlyn ernst. „Chief Malcolm denkt, es waren ein paar Teenager aus der Gegend. Es gibt schon seit einer Weile Gerüchte, dass sie zu einer Sekte von Satanisten gehören.“
„Glauben Sie das?“
Beklommenheit machte sich in ihr breit. „Ich weiß wirklich nicht, was ich glauben soll. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass jemand – insbesondere Teenager – so etwas tun kann.“
Aber sie hatte darüber nachgedacht. Wenn Chief Malcolm mit seiner Vermutung richtiglag, fragte sich Caitlyn, war dann ihre Farm zufällig ausgewählt worden, oder hatte man es wegen Joshuas trauriger Berühmtheit auf sie abgesehen? Bei dem Gedanken, ein Haufen Teenager wäre in einer Art bizarrer Hommage an ihren Bruder über Aggie hergefallen, drehte sich ihr der Magen um. Caitlyn fuhr sich mit den Händen über die Schenkel und fegte dabei eine dünne Staubschicht, die von ihrem Ausritt zurückgeblieben war, hinunter. Aus Stolz gab sie sichungerührt. „Sicherlich sind Sie nicht wegen eines toten Pferdes den ganzen Weg hier herausgekommen, Agent. Oder versucht sich die Violent Crimes Unit des FBI jetzt auch in landwirtschaftlichen Angelegenheiten?“
Er antwortete nicht, aber der Ernst, den sie in seinen Augen sah, erzeugte ein Kribbeln auf ihrer Haut. Eine Vorahnung beschlich sie.
„Können wir irgendwo ungestört reden?“
„In meinem Büro“, sagte sie und ging zielstrebig in Richtung Stall. Ein wenig genierte sie sich, weil ihr Pferdeschwanz, den sie sich am Morgen in aller Eile gebunden hatte, so unordentlich war. Caitlyn drehte sich nicht um, hörte nur den dumpfen Aufschlag von Reids Wanderstiefeln auf dem festgestampften Lehmboden, als er ihr nach drinnen folgte. Sobald sie in dem schlichten Büro Platz genommen hatten – ein kleiner, spärlich möblierter Raum mit der Aufschrift Rambling Rose Equine Therapy , Rambling-Rose-Reittherapie auf der Tür –, trafen sich ihre Blicke aufs Neue.
„Sie leisten hier draußen eine wertvolle Arbeit, Caitlyn.“
„Kennen Sie das Programm?“
„Ich habe letztes Frühjahr den Artikel darüber in der Washington post gelesen.“
Unerklärlicherweise freute sich Caitlyn, dass er sich über sie auf dem Laufenden gehalten hatte. Sie war stolz auf ihre Erfolge in der Reittherapie, sie hatte ihr ganzes Herzblut sowie ihr gesamtes Vermögen in die Farm und den Reiterhof gesteckt. „Ich habe jetzt vier Therapeuten, alle in Teilzeit, aber sie sind staatlich geprüft. Im letzten Sommer habe ich meine eigene Ausbildung in Reittherapie abgeschlossen, ich unterrichte also einige Kurse selbst.“
„Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie Erfahrungen in der Sozialarbeit?“
Caitlyn nickte. Sie hatte diese Studienrichtung gewählt, um dem System, das – zumindest in ihrem Fall – funktioniert hatte, etwas zurückzugeben. Ihre leibliche Mutter hatte sie verlassen,als sie erst einige Wochen alt gewesen war. Danach hatte Caitlyn in der Obhut einer Pflegefamilie gelebt, bis sie von Braden und Caroline Cahill adoptiert wurde. Außerdem hatte sie vor Joshuas Festnahme ein Zentrum für benachteiligte Kinder in Washington geleitet und war in den Vorständen verschiedener Wohlfahrtsorganisationen gewesen, alles Positionen mit Prestige, die man ihr angeboten hatte, weil sie Senator Cahills Tochter war. Mit dem Reittherapieprogramm konnte sie ihre Arbeit fortsetzen, ohne sich dem Rampenlicht von D. C. aussetzen zu müssen.
„Wie geht es Ihrer Mutter?“, fragte Reid und riss sie aus ihren Gedanken.
„Ich musste sie in eine Vollzeitpflegeeinrichtung geben. Das Haus in Georgetown biete ich gerade zum Verkauf an.“
„Das tut mir leid.“ Er klang ehrlich.
In einer der weiter innen gelegenen Boxen wieherte ein Pferd, was Caitlyn daran erinnerte, warum sie in ihr Büro gegangen waren. Steif setzte sie sich auf und ordnete die Papiere auf ihrem Schreibtisch. „Sie wollten ungestört mit mir sprechen, Agent Novak?“
Er ging auf ihre fortgesetzte Förmlichkeit nicht weiter ein. „Haben Sie in letzter Zeit mit Joshua geredet?“
„Nein, ich …“ Sie schüttelte den Kopf. „Wir haben nicht mehr miteinander gesprochen seit kurz vor dem Prozess.“
„Hat er versucht, Sie zu kontaktieren?“
„Joshua glaubt, ich hätte ihn verraten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich bei mir meldet, und das möchte ich auch gar nicht.“
„Ich verstehe.“
„Tun Sie das?“, fragte sie leise. Auf einmal verspürte sie einen Anflug von
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