Der Preis des Verrats (German Edition)
hatte. Dass der Killer so nahe gekommen war. In der letzten Nacht hatte Reid sich ablenken lassen, von seinem Verlangen nach Caitlyn und seiner persönlichen Misere.
Ein weiterer Kamerablitz beleuchtete den Asphaltboden neben der Leiche. Als Reid einen kleinen Gegenstand auf dem Boden entdeckte, lieh er sich eine Beweismitteltüte und nahm ihnvorsichtig auf. Das schartige Stück Plastik trug das Logo eines Elektronikherstellers. Reid fiel das digitale Aufnahmegerät ein, das Feingold immer mit sich trug – es war dieselbe Marke. Sofern das Gerät nicht in den Müllcontainer geworfen worden war, sah es so aus, als ob der Mörder das Ding mit sich genommen hatte.
Als Vecchio zurückkam, machte ihn Reid auf das fehlende Aufnahmegerät aufmerksam. Er sprach noch einige Minuten mit dem Detective, dann ging er in sein Apartment zurück. Die Schachfiguren standen immer noch da, in einer Reihe wie Soldaten, die den Eingang bewachten. Doch die Tür war halb geöffnet, und Caitlyn stand auf der Schwelle. Sie hatte die Arme um sich geschlungen und trug Reids Bademantel, ihr Gesicht wirkte blass im Licht der Straßenlaterne.
„Er war hier, nicht wahr?“
Reid nickte und wünschte sich, er könnte die Angst in ihren Augen tilgen.
„Die Schachfiguren, die Bauern“, sagte sie leise. „Da stehen fünf davon, aber bislang gibt es nur vier Opfer.“
Er antwortete nicht. Gerade hatte er dasselbe gedacht. Vermutlich wollte der Killer, dass Reid sich verwundbar fühlte, dass ihm bewusst wurde, wie nahe der Täter an Caitlyn herangekommen war.
„Vielleicht können wir von den Bauern Fingerabdrücke nehmen.“ Reid griff in seine Hosentasche und zog die zusätzliche Beweismitteltüte heraus, die er mitgenommen hatte. Er hatte Detective Vecchio bereits gesagt, dass der Tatort jetzt dem FBI unterstand. „Ich muss ein paar Anrufe erledigen. Geh zurück in die Wohnung.“
„Warum ist so viel Polizei vor der Tür?“, drängte Caitlyn. „Was geht hier vor?“
Er konnte das Stimmengewirr der Cops hören, auch die Autohupe eines ungeduldigen Pendlers, der um das Durcheinander herumgeleitet werden wollte. Langsam setzte die Dämmerung ein, der Himmel lichtete sich und enthüllte tiefhängende graue Wolken.
„Letzte Nacht ist in der kleinen Straße neben dem Haus jemand ermordet worden. Hal Feingold.“
Caitlyn wirkte bestürzt. Ihr blondes Haar schwang von Seite zu Seite, als sie den Kopf schüttelte. „Aber wieso?“
„Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Feingold uns hierher gefolgt, dann aber dem Nachahmer über den Weg gelaufen.“ Reid dachte wieder darüber nach, wer sie sonst noch außer Feingold letzte Nacht vielleicht beobachtet haben könnte. Plötzlich schoss ihm ein Bild durch den Kopf, ein Bild von David Hunter, wie er ihnen in der alten Mühle im Wald gegenüberstand.
„Die Familie hat bestätigt, dass sie Bliss Harper gehört.“ Mitch zog die Beweismitteltüte mit der Kette aus seiner Anzugtasche und ließ sie auf den Schreibtisch fallen. „Selbst du musst zugeben, dass das Hunter verdammt schlecht aussehen lässt.“
Reid hörte zu und starrte derweil, die Arme über der Brust verschränkt, aus dem Bürofenster. Die Aussicht hatte sich seit seiner Abwesenheit nicht verändert – immer noch dieselben Backsteinhochhäuser mit den getönten Fensterscheiben, dasselbe kleine Stück Park, das von hier aus zu sehen war, und die geschäftige Straße einige Stockwerke unter ihm.
„Was ist mit den Überwachungskameras an der Metrostation?“, fragte er.
„Morehouse ist das digitale Bildmaterial letzte Nacht durchgegangen. Er hat bis nach zwei Uhr daran gesessen. Wenn Hunter die Metro genommen hat, um die Umgebung des Motels zu verlassen, ist er von der Kamera jedenfalls nicht eingefangen worden.“ Mitch gesellte sich zu Reid am Fenster. „Willst du mir deine Version von dem, was bei dir zu Hause passiert ist, erzählen?“
Die beiden Männer hatten vor einer Weile miteinander telefoniert, aber ihr Gespräch war kurz gewesen, weil Mitch im Haus der Harpers war, um die Kette identifizieren zu lassen. Reid hatte ihm schnell von Hal Feingold und den Schachfiguren erzählt, die er bereits in die Asservatenkammer gebracht hatte,zusammen mit dem Plastikfragment des Aufnahmegeräts. Das Einzige, was er nicht erwähnt hatte, war Caitlyns Anwesenheit.
„Feingold wurde draußen vor meinem Apartment erdrosselt, irgendwann zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens. Als ich heute früh hinausging, um zu sehen, warum die
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