Der Preis des Verrats (German Edition)
gestellt. Ihr war nicht nach essen, in Gedanken war sie ganz woanders. Die Nacht mit Reid war intensiver gewesen als alles, was sie jemals erlebt hatte. Sie hatte traumlos und friedlich in seinen Armen geschlafen, bis der Morgen durch das Schlafzimmerfenster drang und den blauen Schein der Polizeilichter mit sich brachte.
Die Rückkehr in die Realität war brutal gewesen.
Sie dachte an den aufdringlichen Reporter. Hal Feingold war tot, und das, wenn man von den Schachfiguren ausging, durch die Hand des Nachahmers, der direkt draußen vor Reids Wohnung gestanden hatte. Die Opferzahl war wieder einmal gestiegen. Caitlyn schloss die Augen und bemühte sich, ihre angeschlagenen Nerven zu beruhigen.
Sie hatte am Morgen bei Reid bleiben wollen, aber er hatte vorschriftsmäßig auf FBI-Mann umgeschaltet und die Kontrolle über den Tatort übernommen. Über eine Stunde hatte sie in seinem Apartment darauf gewartet, dass Manny kam und sie nach Hause begleitete. Als sie schließlich auf den Beifahrersitz des Rambling-Rose-Trucks geklettert war, hatte sie in der nebelgrauen Straße noch einen flüchtigen Blick auf Reid erhascht. Er war in ein Gespräch mit einem Mann im Trenchcoat vertieft gewesen, der wohl ebenfalls zur Polizei gehörte, seiner selbstsicheren Haltung und dem Waffengurt nach zu urteilen. Reid hatte nur kurz zu ihr herübergeschaut, bevor Manny sie fortbrachte.
Draußen vor ihrem Haus begann der zunächst so wolkenverhangene Tag allmählich, sich freundlicher zu zeigen. Caitlyn hörte die gedämpften Stimmen von Manny und Maria und sah aus dem Fenster. Die beiden hoben Chrysanthemen von der Ladefläche des Trucks. Maria hatte schüchtern erwähnt, dasssie Blumen liebte, und gefragt, ob sie den Garten hinter dem Farmhaus bepflanzen dürfe. Caitlyn hatte ihr freie Hand gegeben und sogar vorgeschlagen, Manny solle sie zur Gärtnerei in Middleburg mitnehmen.
Inzwischen hatte Caitlyn sich Reithosen und einen leichten Rollkragenpullover angezogen und nahm ihren ledergebundenen Terminplaner zur Hand. Er lag auf einer Zeitung, die Manny aufgeschlagen auf dem Tisch hatte liegen lassen. Sie bemerkte, dass er einige Angebote für möblierte Wohnungen in der Stadt eingekreist hatte. Während sie noch die Beschreibungen der Apartments durchlas, klingelte das Telefon. Ein Blick auf das Display sagte ihr, dass es nicht Reid war, wie sie hoffte. Stattdessen erschien der Name Treadwell, Robert . Caitlyn seufzte und überlegte, den Anruf nicht anzunehmen, aber schließlich nahm sie den Hörer doch zur Hand. Der Nummer auf dem Display nach kam der Anruf aus dem Haus und nicht von Robs Handy.
„Hallo?“
„Caitlyn?“ Sophie war am anderen Ende der Leitung. Ihre Stimme zitterte. „Ich brauche deine Hilfe.“
„Was ist los?“
„Das FBI und die Polizei sind hier. Sie haben einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus. Sie nehmen Robs Computer mit! I…Ich weiß nicht, was ich tun soll!“
Caitlyn packte den Telefonhörer fester und bemühte sich zu verarbeiten, was Sophie ihr gerade erzählt hatte. Ihre Gedanken überschlugen sich. War es möglich, dass Rob hinter der versteckten Webcam steckte, oder ging es der Polizei um etwas völlig anderes? Caitlyn strich sich über die Stirn und versuchte, Ruhe zu bewahren.
„Sophie, hör mir zu“, sagte sie über das verängstigte Wimmern der Frau hinweg. „Ist Rob da?“
„Er ist nicht in der Stadt. Sie sind gerade in seinem Büro. Sie durchsuchen alles! Was geht hier vor, Caitlyn? Ich habe gehört, wie sie deinen Namen nannten!“
Caitlyn sank das Herz.
„Halt durch. Ich bin da, sobald ich kann.“ Sie beendete das Gespräch und starrte ausdruckslos in den Flur. Trotz der Avancen, die er ihr neulich gemacht hatte, schien es undenkbar, dass Rob in ihre Privatsphäre eingedrungen sein sollte. Dass ausgerechnet Sophies Ehemann sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Sie fühlte sich angeekelt. Im selben Augenblick kam ihr ein weiterer, sogar noch schlimmerer Gedanke in den Sinn. Sie und Reid hatten eine bestimmte Möglichkeit durchgespielt. Wer auch immer die Kamera aufgestellt hatte, könnte auch für die Morde verantwortlich sein. Ob Rob der Nachahmer ihres Bruders war?
Nein . Um Sophies willen würde sie sich jeden Gedanken daran aus dem Kopf schlagen.
Caitlyn drückte eine Tastenkombination auf der Alarmanlage, damit sie das Haus verlassen konnte, ohne den Alarm auszulösen. Sie musste jetzt sofort zu Sophie. Versuchen, ihr alles zu erklären. Aber Caitlyn hatte keine
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