Der Preis des Verrats (German Edition)
hinterlassen.
Der Typ war hier gewesen, nur wenige Meter von ihnen entfernt.
Reid warf einen flüchtigen Blick über das Chaos auf der Straße. Sein Atem bildete weiße Wolken in der kalten Luft. War der Kerl immer noch irgendwo in der Nähe? Beobachtete, wie Reid reagierte? Aber Reid sah niemanden in seine Richtung schauen. Officers in Uniform sprachen durcheinander und leiteten die vorbeifahrenden Autos um. Das ganze Treiben war schon seit einer Weile im Gange. Ein Zivilfahrzeug mit Blaulicht auf dem Armaturenbrett parkte in zweiter Reihe am Straßenrand und zeigte an, dass ein Detective der Polizei ebenfalls zur Stelle war.
Was zur Hölle passierte da gerade? Er würde sich später mit den Schachfiguren befassen müssen. Vorsichtig wich Reid den hölzernen Bauern auf dem Fußabtreter aus und schloss die Tür zu seinem Apartment, dann sprang er die Stufen hinunter undlief auf die Officers zu. Er hielt seine Dienstmarke hoch. „Was geht hier vor?“
„Leichenfund in der kleinen Straße neben Ihrem Haus, Agent“, klärte ihn einer der Officers auf.
Eine Polizeisperre war bereits am Eingang der Straße zwischen seinem Apartmenthaus und dem zweiteiligen Gebäude auf der anderen Seite errichtet worden, das eine deutsche Bäckerei und eine Reinigung beherbergte. Reid bog um die Ecke und sah einen Kriminaltechniker im weißen Overall Fotos von einer Leiche machen, die ausgestreckt auf dem Asphalt lag. Reid bewegte sich näher darauf zu, und zum zweiten Mal in dieser Nacht traf ihn die Überraschung unvermittelt, als er in der dickbäuchigen Gestalt Hal Feingold wiedererkannte.
„Wer sind Sie?“, wollte ein streng dreinblickender Mann in einem Trenchcoat wissen. Er trug eine goldene Detective-Dienstmarke an einer Kette um seinen Hals.
„Agent Novak, FBI. Ich wohne da drüben.“ Reid nickte zu seiner Wohnung hinüber. „Ich weiß, wer dieser Kerl ist …“
„Wir auch. Sein Name ist Harold Feingold. Die Brieftasche befindet sich noch bei der Leiche. Das heißt, es ist kein Raubüberfall gewesen.“
Reid setzte den Detective ins Bild. „Feingold ist ein ehemaliger Reporter der Post – er war gerade dabei, ein Buch über einen Fall zu schreiben, den ich vor einigen Jahren geleitet habe.“
Dem Mann dämmerte es. „Der Capital-Killer-Fall, nicht wahr?“
Er streckte seine Hand aus, und Reid schüttelte sie.
„Detective Vecchio, Mordkommission D. C. Wir warten noch auf die Leute vom Büro des Gerichtsmediziners.“ Er stützte die Hände auf seinen Waffengurt an der Hüfte. „Also, Agent Novak. Feingold hat gerade einen Bericht über den Fall geschrieben, der Sie im Grunde berühmt gemacht hat, und wurde tot in unmittelbarer Nähe zu Ihrer Wohnung aufgefunden. Glauben Sie, das hat etwas mit Ihnen zu tun?“
„Ich denke, es hat mehr mit dem Fall zu tun, an dem ich jetztgerade arbeite.“ Reid nickte zu den ausgeprägten Würgemalen an Feingolds Hals. Die Augen des Reporters standen offen, sein Mund war aufgerissen und die Zunge ragte heraus.
„Der Nachahmerfall.“ Vecchio blickte prüfend auf die Leiche. „Aber ich dachte, die Opfer wären alle Frauen.“
Reid sprach aus, was sich als Theorie in seinem Kopf zu formen begann. „Ich schätze, Feingold war zur falschen Zeit am falschen Ort. Vermutlich hat er mich observiert, um für sein Buch zu recherchieren. Beide, er und der Nachahmer, lauerten irgendwo draußen vor meinem Apartment, und so hat es für ihn geendet.“
Der Detective zog die Augenbrauen in die Höhe. „Das wäre ein ziemlicher Zufall.“
„Der Nachahmer hat ein Geschenk auf meiner Türmatte zurückgelassen, irgendwann in der letzten Nacht, er war also ebenfalls in der Nähe. Feingold könnte ihn abgepasst haben. Erdrosselung passt jedenfalls zur Vorgehensweise des Killers.“
„Bis der Gerichtsmediziner da ist, haben wir noch keine Körpertemperatur, aber aufgrund der fehlenden Leichenstarre schätze ich, dass Feingold nicht länger als drei bis vier Stunden tot ist“, sagte Vecchio. „Ein Bäckereimitarbeiter kommt täglich um fünf Uhr dreißig, um die Öfen anzuheizen. Er hat den Kerl gefunden.“
Ein Officer rief Vecchio fort. Reid blieb mit dem forensischen Fotografen und der Leiche zurück. Die Kamera blitzte unablässig und erleuchtete die dunkle Gasse. Reid wurde es ein wenig schwer ums Herz. Feingold war bestimmt kein Freund von ihm gewesen, aber den Tod hatte er ihm auch nicht gewünscht. Außerdem ärgerte Reid der Gedanke, dass er nicht genügend aufgepasst
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