Der Preis des Verrats (German Edition)
eingeladen hast, habe ich gedacht, wir sollten einen aufstellen. Manny hat mir geholfen, ihn zu fällen. Wir haben ihn im Truck hierher transportiert.“
Als sie ihm einen besorgten Blick zuwarf, fügte er hinzu: „Ich brauchte Bewegung, Caitlyn. Und ich habe vom Arzt vor drei Tagen grünes Licht erhalten.“
„Du hast recht“, gab sie zu. „Ich bin wohl einfach überfürsorglich.“
In mehr als einer Hinsicht . Reid fragte sich wieder, warum sie ihn nicht zum Springdale Penitentiary mitgenommen hatte.
Caitlyn ging auf ihn zu. Sie berührte seine Brust mit einer liebevollen Geste, was seinen Ärger ein wenig schwinden ließ. Reid wusste, er hatte unglaubliches Glück gehabt. Der zweite Tumor, den man bei ihm diagnostiziert hatte, war gutartig und lag dieses Mal an einer Stelle, wo man ihn mit Radiochirurgie, einer bestimmten Form der Strahlentherapie, behandeln konnte. Die Methode wurde auch Gamma-Knife-Chirurgie genannt. Verglichen mit der weitaus invasiveren Hirnchirurgie, der er sich beim ersten Mal unterzogen hatte,war der Eingriff geringfügig gewesen. Er hatte noch nicht einmal seinen Kopf rasieren müssen. Nach den Weihnachtsfeiertagen sollte Reid offiziell in den Job zurückkehren. Das war in einer guten Woche. Auf Caitlyns Einladung hin hatte er die ganze Zeit im Farmhaus gewohnt, während er sich erholte. So hatten sie auch die Gelegenheit gehabt, sich besser kennenzulernen.
„Genau genommen hatte ich noch nie einen Baum – hier im Haus, meine ich. An meinem ersten Weihnachten auf der Farm konnte ich einfach keine Feiertagsstimmung aufbringen.“ Sie sah ihn aus sanften grünen Augen an. „Aber dieses Jahr habe ich das Gefühl, dass ich etwas zu feiern habe.“
„Wir haben etwas zu feiern.“ Reid neigte den Kopf zu ihr und streifte mit seinen Lippen ihren Mund. „Wie war der Weihnachtseinkauf?“
„Schön“, sagte sie und klang dabei künstlich gut gelaunt. Sie trat beiseite, nahm den Mantel auf, den sie auf die Couch gelegt hatte, und ging, um ihn in den Schrank zu hängen.
„Wo sind die Geschenke?“
„Im Kofferraum.“
„Ich hole sie für dich.“
„Nein.“ Caitlyn hielt ihn zurück. „Da sind ein paar Geschenke für dich dabei, ich möchte nicht, dass du sie siehst …“
„Ich bringe nur die Taschen hinein“, bot er an und forcierte das Thema noch. „Ich bin ein großer Junge. Ich werde nicht nachsehen, ich verspreche es.“
„Wirklich, lass sie uns einfach bis morgen früh im Kofferraum lassen.“
Reid verschränkte die Arme über der Brust und beschloss, die Farce zu beenden. Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Ich weiß genau, wann du lügst, Caitlyn. Deine Wangen werden über und über pink. Und ich weiß bereits, dass du heute nicht mal in der Nähe eines Einkaufszentrums gewesen bist.“
Caitlyn wurde noch röter. Und Reid stellte fest, dass er imGrunde gar nicht wütend auf sie war, sondern schlicht besorgt. „Morehouse hat mich angerufen. Er hat mir erzählt, dass du Joshua besucht hast.“
„Ich musste“, gab sie zu. „Er schuldete mir die Fundorte der anderen Frauen. Ich habe alle vier bekommen.“
„Morehouse hat mir auch das erzählt. Ausgrabungsteams werden von morgen an nach den Leichen suchen, wenn das Wetter nicht dazwischenkommt. Ich habe vor, mitzufahren. Es war mein Fall, und ich muss dabei sein.“
Caitlyns einzige Antwort war ein schwaches Nicken. Er merkte, wie hart es für sie gewesen sein musste, Joshua zu besuchen. Schließlich wusste sie, dass ihr Bruder Mitch erpresst und gezwungen hatte, sie zu entführen. Und dass er sie einen entsetzlichen Tod durch die Hände seines Handlangers hatte erleiden lassen wollen. Obwohl Reid verstand, warum sie ihren Bruder besucht hatte, nie hätte er gewollt, dass sie es alleine durchzog. Er dachte an die Zigarettenverbrennungen, die Narben auf ihrer Porzellanhaut hinterlassen hatten. Sie waren eine schmerzhafte Erinnerung an den Albtraum, den sie höchstwahrscheinlich für immer mit sich herumtragen würde. Er versuchte, sich damit zu trösten, dass er es geschafft hatte, Mitch aufzuhalten, bevor Caitlyn vergewaltigt, noch weiter gefoltert, gar getötet worden war. Aber manchmal war diese Erkenntnis nicht genug.
„Ich wünschte, du hättest mich mitgenommen“, sagte er.
„Ich weiß. Es ist nur, ich weiß auch, dass du damit zu kämpfen hast …“
Sie musste nicht sagen, womit. Aufzudecken, dass sein Partner hinter den Nachahmermorden steckte, war nur schwer zu bewältigen gewesen.
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