Der Preis -Thriller (German Edition)
fiel ihr nicht schwer die Arbeitskraft einer Frau ihrer Qualifikation, ihres Gesundheitszustandes und Alters zu berechnen.
Aber eine Seele? Das war wohl etwas anderes. Damit ließen sich so ohne weiteres keine Zahlenwerte verbinden.
Aber eigentlich waren das auch völlig fruchtlose Überlegungen.
Denn im Grunde wusste Milena ja längst alles, was sie zu wissen hatte, um ihre Entscheidung zu treffen. Vor allem wusste sie, dass Madame Vaux kein Ne in akzeptieren würde. Und zwar schon deswegen nicht, weil ein Nein von Milena die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass sie eines Tages über Madames sehr ungewöhnliche Rekrutierungsmethoden plauderte.
Milenas stechende Kopfschmerzen kehrten zurück. Es kostete sie Mühe ihre Hände ruhig zu halten. Sie schwankte ein wenig , als stünde sie plötzlich auf sumpfig unsicherem Grund.
Milena senkte den Kopf und wandte sich steif zu Nolde um.
Nolde war der Einzige in diesem schmutzigen Spiel, der bislang stets sein Wort gehalten hatte.
Milena suchte keinen Schutz bei ihm. Für Schutz war es längst zu spät. Was sie sich erhoffte, war eine Antwort darauf, wie sie sich entscheiden sollte.
Doch Nolde wich ihren Blicken aus.
25 .
Nolde spürte Milenas Blick, aber fand nicht die Kraft ihn offen zu erwidern.
W elche Antwort hätte er auch schon parat gehabt auf jene Frage, die er dort in Milenas Augen lesen konnte? Dass es besser sei, einen Deal mit dem Teufel einzugehen, als di e Karriere und vielleicht ja sogar den Hals zu riskieren?
Er war nicht der Mann, von dem sie einen Ausweg aus ihrem Dilemma erwarten durfte. Er hatte ihr gegenüber seine Pflicht erfüllt, fand er. Und Nolde stand ja hier nicht nur allein für sich, sondern auch stellvertretend für all seine Angestellten und deren Familien, deren aller Lebensunterhalt er riskierte, falls er sich gegen Madame auflehnte. Natürlich war es höchst widerwärtig, wie Madame mit Milena umsprang. Aber Erfolg bekam man nicht zum Nulltarif. Der ging immer mit Verpflichtungen einher. Die wahre Feigheit hätte eher darin bestanden, sich dieser Verpflichtung jetzt nicht zu stellen, indem er auf die innere Stimme hörte, die ihm beständig zuflüsterte , Milena zu raten Madame ihre Dokumente ins Gesicht zu werfen und Türen knallend das Appartement zu verlassen.
Nein, was den Mumm eines Mannes wirklich ausmachte, war nicht dessen Prinzipienfestigkeit oder Loyalität, sondern der Mut diese in den richtigen Momenten einem höheren Gut zu opfern - zum Beispiel den über einhundert Mitarbeitern, deren finanzielle Sicherheit von ihm abhingen.
Vielleicht war es ungesund solche Kompromisse zu oft einzugehen. Aber so oft stand man ja auch gar nicht vor Entscheidungen , wie dieser.
26 .
Mile na wusste was Einsamkeit war. Sie wusste auch wie erniedrigend Hilflosigkeit und Ohnmacht waren. Aber erst , als Nolde ihrem Blick auswich, lernte sie auch was Verlassenheit bedeutete. Verlassensein fühlte sich an , wie eine plötzliche Lähmung, die vom Kopf her den Leib herabfloss, im Bauch feste Knoten bildete u m einem zum Schluss jegliche Initiative und Kraft zu raub e n .
Vielleicht, dachte Milena beklommen, würde der aller letzte Mensch auf der Welt sich ähnlich fühlen , in dem Augenblick, in dem ihm klar wurde, dass er von nirgendwo her noch Hilfe oder Trost erwarten durfte, weil jetzt und hier ausgerechnet mit ihm alles enden würde.
„Mademoiselle Fanu? Ist Ihnen nicht wohl?“, erkundigte sich Madame Vaux besorgt.
Milena war unfähig zu antworten.
Aber sie war aus irgendeinem Grund wieder fähig sich zu bewegen.
Sie trat den einen Schritt zu Madames Schreibtisch, ergriff den schweren Füllfederhalter und unterzeichnete nacheinander jedes der Dokumente, die Madame Vaux ihr präsentierte.
Sie fühlte sich danach nicht erleichtert. Aber sie versuchte sich einzureden, dass sie von nun an sicherer sei. Und Sicherheit zählte etwas in einer Welt, die so düster war wie jene, in welcher Milena sich nach ihrer Entführung wieder gefunden hatte.
27 .
An diesem Abend machte Nolde sich einen Drink mehr als sonst. Er versuchte sich einzureden, dass es richtig gewesen war Milenas Blick auszuweichen. Und zwar für alle – nicht nur für ihn selbst, seine Firma und deren Angestellte, sondern vor allem auch für Milena.
Nolde war Polizist gewesen. Polizisten mussten lernen zu vergessen, sonst hielten sie in dem Job nicht allzu lange durch. Denn trug man die Probleme und Verbrechen anderer Leute zu lange mit sich
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