Der Priester
hatte den Druck auf Byrne jedoch immer aufrechterhalten. Die Stoßrichtung der Fragen war immer klar gewesen. Lonergan hatte sich nur zurückgenommen, wenn der Verdächtige auf irgendeine Art verwirrt oder konfus wirkte, was häufig vorkam. Brogan merkte, dass er Byrne immer genug Zeit gab, um die Geschichte genau so zu erzählen, wie er es wollte, und sie ihm erst hinterher um die Ohren schlug.
Es war absolut faszinierend gewesen, ihm dabei zuzuschauen. Alle im Beobachtungsraum hatten wie gebannt durch den Einwegspiegel geblickt und zum Teil atemlos verfolgt, wie Lonergan Byrne ein ums andere Mal ein kleines, aber bedeutsames Geständnis entlockte, wodurch der Mann sich immer tiefer im Labyrinth der Selbstbezichtigung verirrte. Am Ende hatte er gerade einmal neunzig Minuten gebraucht, um Byrne in ein schluchzendes, reumütiges Häuflein Elend zu verwandeln – der alle drei Überfälle gestand. »Ja, ja, ich habe es getan. Ich habe sie verbrannt. Ich habe sie verletzt. Alle drei, der Herr vergebe mir. Es tut mir leid«, hatte Byrne am Ende geschluchzt.
Sie würde sich noch lange an den Moment erinnern, als alle im Raum vor Freude und Erleichterung laut aufgestöhnt und die Faust gereckt hatten, nachdem Lonergan in den halbdurchlässigen Spiegel geblickt und ihnen zugezwinkert hatte. Er hatte es, das große Geständnis. Die nächsten Tage konnten sie Byrne wegen der Einzelheiten piesacken, aber erst mal hatten sie genug in der Hand, um ihn wegen was auch immer anzuklagen.
Herrje, was für eine Inspiration der Mann war!
Brogan sah auf die Uhr: Schon Viertel nach zehn. Sie zog das Handy aus ihrer Tasche. Selbst der Gedanke, zu Hause anzurufen und sich die Klagen ihres Mannes anzuhören, weil sie so spät nach Hause kam, konnte ihr nicht die Laune verderben. Aidan konnte sie mal, dachte sie. Was bildete er sich eigentlich ein, ihr vorzuwerfen, dass sie nicht genug Zeit mit dem Jungen verbrachte. Schließlich war er derjenige, der gesagt hatte, dass er nichts dagegen hätte, zu Hause zu bleiben. Also war es seine Aufgabe, nicht ihre, das irgendwie auf die Reihe zu kriegen. Und was den Jungen betraf, für den hatte sie immer Zeit gefunden, und das würde sie auch weiterhin, ganz egal, wie hart sie arbeitete.
Sie trat von der Wand zurück, als die Tür neben ihr geöffnet wurde und zwei der Männer, mit denen sie die letzten paar Stunden verbracht hatte – Lonergans Männer – laut lachend herauskamen und ihr freundlich eine gute Nacht wünschten. Sie sah ihren breiten Schultern nach, während das Klacken ihrer Schritte von den gefliesten Wänden widerhallte, und war sich einer Sache sicher. Es war lange her, dass sie einen Ort gesehen hatte, an dem sie unbedingt sein wollte. Jetzt, wo sie ihn gefunden hatte, würde sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um dort zu bleiben. Irgendwie würde sie sich auf Dauer in Lonergans Team versetzen lassen.
Schon deutlich über eine Stunde saß er jetzt in der weitläufigen Nachrichtenredaktion des Herald , wo ein paar Leuchtstoffröhren ihren kleinen Bereich erhellten, während alles andere in der Dunkelheit oder im Orangeton der Straßenlaternen lag, die durchs Fenster hereinschienen. Für jemanden, der noch nie in einer Zeitungsredaktion war, fand Mulcahy es ziemlich ernüchternd. Es sah aus wie in jedem anderen Büro: in verschiedene Bereiche abgeteilte Schreibtischreihen mit Computermonitoren. Das einzige besondere Merkmal waren die vielen Fernsehgeräte überall – auf Regalen, auf Ständern und an den Wänden. Wenn die alle liefen, könnte man keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Siobhan saß hinter ihm und tippte etwas auf ihrer Tastatur. Er hatte sie nur gefragt, ob er irgendwann etwas im Archiv des Herald nachsehen könnte, und sie war sofort begeistert darauf angesprungen und hatte gesagt: »Klar, komm, lass uns jetzt gleich rübergehen.« Dabei merkte er auch, warum sie eine so gute Journalistin war – ein Nein akzeptierte sie einfach nicht. Sie hatte ihn in die Redaktion gezerrt, dort an einen Rechner gesetzt und ihm gezeigt, wie man in der Datenbank recherchierte. Sie hatte ihm die diversen Online-Ausschnitt-Dienste erklärt, mit denen sie andere Publikationen einsehen konnten … es war dabei aber nichts herausgekommen. Das hausinterne Archiv war nur bis in die Neunziger zurück digitalisiert. Und selbst da fand er nur Unmengen belangloses Zeug, mit dem er nichts anfangen konnte. Er versuchte, Informationen über Rinn, seinen Großvater und das große Geheimnis
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