Der Priester
von Gweedore herauszuziehen, und ein oder zwei Mal meinte er auch, etwas gefunden zu haben, aber das waren alles nur Bruchstücke – Hinweise darauf, dass irgendetwas Schlimmes vorgefallen war; doch sobald er versuchte, ihnen genauer nachzugehen, löste sich alles in Luft auf.
Am Ende war er einfach total geschafft, mit jeder Suche, die er aufrief, tränten seine Augen mehr, bis schließlich neben ihm ein Fernseher aufflackerte. Er sah sich um. Siobhan stand mit einer Fernbedienung in der Hand neben ihm.
»Ich will nur eben die Spätnachrichten gucken«, sagte sie.
»Klar.« Mulcahy drehte sich um und sah zu, wie die Schlagzeilen durchs Bild liefen und Siobhan den Ton lauter stellte. Wie erwartet war die erste Meldung die Festnahme des Priesters, und Mulcahy beugte sich vor, als er Brogan kurz neben dem großen Mann auf dem Bildschirm sah, den er schon in der Pressekonferenz gesehen hatte – vermutlich Lonergan. Der Superintendent führte einen anderen Mann mit einer Jacke über dem Kopf über den Parkplatz der Kilmainham-Garda-Station. Es war ein riesiges Gewimmel, mit Blitzlichtern, bei dem die ganzen Spinner von der Presse schoben und drängelten, um näher heranzukommen. Dann kam jemand an die Jacke heran, unter der der Kerl sich versteckt hatte, und zog sie weg, so dass das Gesicht des Verdächtigen ein paar Sekunden zu sehen war. Er wirkte vollkommen verängstigt. Doch es war nicht diese ängstliche Miene, die Mulcahy veranlasste, sich aufzurichten und nach Luft zu schnappen, sondern das Gesicht. Er war sicher, dass er den Mann schon einmal gesehen hatte – vor Kurzem erst –, aber er kam einfach nicht darauf, wo das war.
Dann stellte Siobhan den Ton noch etwas lauter, und er hörte den Nachrichtensprecher sagen: »Der Verdächtige, der einen Gartenbaubetrieb in Chapelizod betreiben soll, wurde heute um die Mittagszeit festgenommen, als Gardaí der Mordkommission seine Wohnung in der St. Imelda’s Road stürmten …« Mulcahy blieb vor Schreck die Luft weg. Der Gärtner! Jetzt hatte er das Gesicht wieder vor Augen – mit zornigem Blick, einer Baseballkappe und einem Hammer in der Hand. Er war’s, der verdammte Gärtner, der auf Rinns Grundstück gearbeitet hatte, als Mulcahy das erste Mal da gewesen war. Er hatte ihn gesehen, mit ihm gesprochen, war sogar von ihm bedroht worden. Und der Lieferwagen, um Himmels willen. Der verdammte Lieferwagen hatte vor dem Haus gestanden, und er war einfach so daran vorbeigelatscht.
Mulcahy wurde flau im Magen. Er legte sich die Hand auf die Brust, um sich nicht zu übergeben. Er musste unbedingt wieder einen klaren Gedanken fassen. Das war doch nicht just zu dem Zeitpunkt gewesen, als Paula Halpin vermisst wurde, oder? Nein, beruhigte er sich. Als er in Palmerston Park war, hatten sie ihre Leiche schon gefunden. Mulcahy verspürte eine gewisse Erleichterung. Doch dann überkam ihn wieder der Zorn. Jede Summe, er würde jede Summe darauf wetten, dass eine Überprüfung der Daten ergab, dass Byrne auch an dem Tag bei Rinn gearbeitet hatte, an dem Caroline Coyle überfallen wurde. Und was die arme Paula Halpin betraf, die von Dartry die Straße hinaufgegangen war, sie war nicht Rinn in die Klauen gefallen, sondern dem verdammten Gärtner. Herrgott, wie hatte er dem so nahe kommen und doch so absolut und heillos danebenliegen können?
Einen Moment lang empfand er bei dem Gedanken vollkommene Leere und war von Kopf bis Fuß gelähmt. Er sah Siobhan an, doch zum Glück schien sie seine Reaktion nicht bemerkt zu haben, sondern war ganz in den Bericht vertieft. Er lehnte sich zurück, dachte an Byrne, dann an Rinn, und wieder drehte sich alles in seinem Kopf. Er rieb sich die Stirn, doch das Wummern wurde immer stärker – seine Lunge begann, nach einer Zigarette zu schreien. Er stand langsam auf, streckte sich und versuchte, Ruhe auszustrahlen, die ihm jedoch vollkommen abging, als Siobhan sich ihm zuwandte.
»Mir reicht’s für heute Nacht, Siobhan. Ich bin hundemüde und komm auch nicht weiter. Tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwendet habe, aber ich muss hier jetzt raus, bevor mir der Kopf explodiert.«
Unten am Ausgang war er wirklich nett gewesen, hatte darauf bestanden, dass sie morgen früh als Erstes Brogan wegen des Briefs anrief, und mit ihr geschimpft, weil sie allein wieder zurück in die Redaktion gehen wollte. Er war sogar etwas schüchtern gewesen, als sie gefragt hatte: »Dann sind wir jetzt ja wohl wieder Freunde, oder?« Beim Gutenachtkuss
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