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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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einen Meter neunzig großen, knapp hundertzwanzig Kilo schweren Mann, der immer dieselbe braune Bomberlederjacke, Jeans und abgetragene Nike-Turnschuhe trug. Man erkannte ihn normalerweise aus einem halben Kilometer Entfernung. Er war jetzt Mitte dreißig, ein paar seiner früheren Muskeln hatten sich in Fett verwandelt, und mit seinen langen Haaren erinnerte er eher an einen alternden Rocker als an einen Polizisten von der Drogenfahndung. Aber das war Absicht, und obwohl er zu auffällig war, um im Bereich der verdeckten Ermittlung wirklich zu glänzen, kamen seine wahren Stärken am besten zur Geltung, wenn man ihn mit einem Verdächtigen in einen Raum steckte.
    »Das ist nur das Simplex-Kreuzworträtsel«, widersprach Mulcahy.
    »Das was?«
    »Das einfache, du Blödmann. Liest du nie Zeitung?«
    »Die nicht, nee. Die Sun oder der Herald reichen mir. Ich find’s prima, wenn ich das, was ich lese, auch verstehe.«
    Mulcahy lächelte, als ihm auffiel, dass Ford immer noch mit seinem alten Dialekt sprach. Er war schon über zehn Jahre in Dublin, klang aber immer noch so, als wäre er gerade aus Cork gekommen. Er deutete auf Mulcahys halbvolles Guinness auf dem Tresen.
    »Noch eins?«
    »Wenn du meinst.«
    Er rief dem Barkeeper die Bestellung zu und zog sich einen Hocker heran.
    »Wie läuft’s denn so? Gibt’s irgendwas Neues, das ich wissen sollte?«, fragte Mulcahy und legte die Zeitung zur Seite.
    »Eigentlich nicht. Alle sind ein bisschen gereizt wegen der Ausgabensperre. Bei uns sieht es fast aus, als ob jeder zweite Schreibtisch nicht besetzt ist. Echt lächerlich.«
    Ford brach ab, gab dem Barkeeper das Geld für die beiden Biere und nahm einen großen Schluck, während er auf das Wechselgeld wartete. Als er das Glas wieder auf den Tresen stellte, war es halbleer.
    »Und was ist mit dir? Du bist verdammt zugeknöpft mit dem, was bei euch drüben passiert. Wozu brauchen die dich bei der Sitte überhaupt?«
    Mulcahy tippte sich mit dem Zeigefinger an die Nase. »Das interessiert dich sowieso nicht, Liam. Und im Prinzip kämen die da auch ohne mich klar. Im Augenblick steh ich denen nur im Weg.«
    Ford sah ihn an, als hätte er zwei Köpfe. »Na ja, dann solltest du zusehen, dass du da so schnell wie möglich wieder die Fliege machst, oder?«
    »Ja, das stimmt wohl. Aber so einfach ist das nicht.«
    Ford stützte einen Ellbogen auf den Tresen, beugte sich vor und sagte leise: »Vielleicht doch, Chef. Pass auf, gestern hab ich unter der Hand erfahren, dass die Personalabteilung Tommy Dowling zwingen will, das Handtuch zu werfen. Du hast von der Sache gehört, oder?«
    Mulcahy nickte. Dowling war der Leiter der Drogenfahndung der Southern Region. Bei einer schwer misslungenen Razzia in Youghal hatte er eine Kugel in die Leber bekommen.
    »Die letzten medizinischen Gutachten sahen nicht gut aus«, sagte Ford. »Er wird wohl nicht wieder richtig auf die Beine kommen, deshalb haben sie ihm ein Angebot gemacht – die volle Pension und eine angemessene Abfindung. Es heißt, er geht noch in diesem Monat. Ich denke, du brauchst nur eine Bewerbung einzureichen, dann hast du die Stelle. Murtagh wäre ja verrückt, wenn er dich nicht nehmen würde. Ich weiß, dass es nicht genau das ist, was du suchst, aber damit wärst du wenigstens wieder im Geschäft.«
    Mulcahy war weit davon entfernt, diese Gelegenheit leichthin abzutun, vielmehr kam er sich vor wie ein Ertrinkender, dem man einen Rettungsring zuwarf. »Bist du sicher?«
    »Das klang schon ziemlich konkret.«
    »Wer steht denn sonst noch zur Verfügung? Wer vertritt Dowling denn jetzt?«
    »Das ist ja das Spannende daran. Sean McCarthy, der Detective Inspector, der da die Stellung hält, denkt, dass er den Job schon in der Tasche hat, angeblich ist Murtagh von seiner Arbeit aber nicht sehr begeistert. Und bei den Kollegen ist er auch nicht besonders beliebt, außerdem hat er schon ein paar böse Böcke geschossen. Das Wichtigste ist aber, dass es eine Stelle für einen Detective Superintendent ist, und so weit fällt McCarthy nicht die Treppe rauf, schon gar nicht, wenn du gegen ihn antrittst. Ich würde sagen, die Stelle ist wie für dich gemacht.«
    Mulcahy versuchte, die Begeisterung, die in ihm aufstieg, zu dämpfen. Die anderen Chancen, die sich im letzten halben Jahr aufgetan hatten, waren im Zuge des allgemeinen Einstellungsstopps im öffentlichen Dienst gestorben und zu Staub zerfallen. Doch so eine regionale Leitungsstelle konnte man nicht unbesetzt lassen

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