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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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Eigentlich hätte sie ihn gerne noch etwas länger schmoren lassen, denn alles, was sie bisher von ihm mitbekommen hatte, schrie förmlich Klugscheißer. Aber Aidan hatte heute einen Pokerabend mit seinen Kumpeln, und da versuchte sie immer, pünktlich zu Hause zu sein, damit sie ein paar heilige Stunden allein mit ihrem Jungen verbringen konnte. Also musste es jetzt vorangehen.
    »Er kaut ein bisschen an den Fingernägeln«, sagte Cassidy. »Aber ansonsten wirkt er ganz entspannt.«
    Den Burschen festzunehmen war einfacher gewesen, als Brogan erwartet hatte. Wie versprochen hatten die Kollegen aus Blackrock sein Haus im Auge behalten – eine hübsche Doppelhaushälfte mit einem großen, sehr gepflegten Garten in Castlebyrne Park. Als sie ankamen, konnte Detective Sergeant Leahy bestätigen, dass Patrick Scully zu Hause war, weil er ein paar Minuten nach seiner Ankunft gesehen hatte, wie er zur Garage und zurück gegangen war. So viel Glück müssten sie immer haben. An der Tür hatte sie Cassidy und Leahy das Reden überlassen. Eine Frau hatte geöffnet und war ziemlich aufgeregt geworden, als sie erfuhr, mit wem sie es zu tun hatte und was sie wollten. Scully selbst hingegen, der fast so gut gekleidet und frisiert war wie auf den Bildern der Überwachungskamera, ging mit diesen Informationen erstaunlich gelassen um und war sofort bereit, sie aufs Revier zu begleiten. Er wirkte nicht einmal besonders überrascht, so dass sie sich fragte, ob irgendwie Methode dahintersteckte. Sie hielt sich weiter zurück, sagte kein Wort, was ihr den psychologischen Vorteil garantierte, sich ihm bei der Vernehmung als eine ihm unbekannte Person zu präsentieren.
    »Okay, also gut, dann wollen wir nicht noch mehr Zeit verschwenden. Los geht’s.«
    Sie öffnete die Tür, rauschte hinein, sah Scully sofort in die Augen, sagte aber kein Wort. Wie alle Vernehmungsräume auf der Welt war auch dieser schmucklos und sehr sparsam eingerichtet. Die fensterlosen, grauen Wände waren nur von zwei Lüftungsschlitzen, der Tür und dem leuchtend roten, kolbenartigen Alarmschalter rechts daneben durchbrochen, mit dem man Hilfe herbeiordern konnte, falls ein Verdächtiger aggressiv wurde. Scully flegelte in lässiger Haltung auf einem der vier Plastikstühle, die um den am Boden festgeschraubten Metalltisch herumstanden. Wieder überraschte es Brogan, wie attraktiv er war. Er trug beigefarbene Chinos, die aussahen, als stammten sie aus den Designerregalen bei Brown Thomas. Das Gleiche galt für seine makellosen Wildledermokassins, das perfekt gebügelte, blau karierte Hemd und sein vermutlich maßgeschneidertes Leinenjackett. Seine Handrücken und die langen Finger zeigten die Überreste von Bräune, und die Fingernägel glänzten wie manikürt und poliert. Offenbar kaute er normalerweise nicht daran, also musste er unter dieser Mr-Cool-Fassade doch etwas ängstlich sein. Gut.
    Er hielt Brogans Blick stand, als sie sich setzte, und veränderte auch nichts an seiner flegelhaften Haltung. Sie zog ihren Stuhl an den Tisch heran. Erst als sie saß, setzte auch er sich aufrecht hin, wobei er die Ellbogen genau wie sie auf den Tisch stemmte. Aus der Nähe sah sie, dass ihr Blick ihn offenbar nicht verunsicherte. Ganz im Gegenteil. Sie war von seinen Augen verunsichert, die ziemlich ungewöhnlich waren. Im Licht der Leuchtstoffröhren glänzten sie so tiefbraun, dass sie fast mit den Pupillen verschmolzen. Brogan lehnte sich zurück, um sich seinem Blick ein wenig zu entziehen, und lauschte dem Scharren von Cassidys Stuhl, als der sich neben sie setzte. Sie wartete, während er das digitale Aufnahmegerät einschaltete, das mit einer Stahlklammer auf der Tischplatte angebracht war, und die Formalitäten wie Ort und Zeit sowie die im Raum anwesenden Personen vortrug.
    »Würden Sie bitte bestätigen, dass Sie Patrick Cormac Scully sind?«
    Er nickte, jetzt mit unter dem Kinn zusammengelegten Fingern.
    »Könnten Sie bitte für die Tonaufnahme mit Ja oder Nein antworten«, sagte Cassidy mit aggressivem Unterton.
    »Ja, der bin ich.«
    »Wohnhaft Castlebyrne Park 43 in Blackrock?«
    »Ja«, sagte er Cassidy zugewandt, dieses Mal aber selbstbewusster. Er sah Brogan wieder an. »Bin ich verhaftet?«
    »Nein.«
    »Könnten Sie mir dann bitte erzählen, worum es hier geht?«
    »Sicher«, sagte Brogan. »Das ist ganz einfach. Wir wollen wissen, wo Sie den Abend vor drei Tagen verbracht haben und was Sie da gemacht haben. Am Samstagabend also.«
    Brogan glaubte

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