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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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analysiert, und da war ein verdammt hoher Anteil Gold drin. Kein hochwertiges mit 18 Karat, sondern eher das, was man zum Vergolden benutzt. Entscheidend ist dabei, dass es eindeutig großer Hitze ausgesetzt war … Steht aber alles auch im Bericht. Ich würde davon ausgehen, dass das, womit er ihr die Verbrennungen zugefügt hat, vergoldet war. Vielleicht ein Zeremoniendolch oder so was Ähnliches – wobei ich mich natürlich nicht an Spekulationen beteiligen sollte. Um ehrlich zu sein, dieser Fund ist so ungewöhnlich, dass wir noch ein paar weitere Tests durchführen werden. Vielleicht hat er es aus Mommys bestem Besteckkasten geklaut. Um eine klassische Angriffswaffe handelt es sich jedenfalls nicht.«
    Es musste mindestens die zwanzigste Akte gewesen sein, die er durchgesehen hatte, sie endete aber genauso in einer Sackgasse wie die vorherigen. Irgendein junger Gauner hatte seine Exfreundin mit einem Teppichmesser bedroht und sie gezwungen, ihm bei den Mülltonnen hinter einem Wohnblock draußen in Artane einen zu blasen. Dann hatte er ihr das Gesicht zerschnitten, war gegangen und hatte sie schreiend, mit Blut und Kotze verschmiert, dort liegen lassen. Auf die Frage, warum er das getan hatte, antwortete er, dass er betrunken gewesen wäre. Außerdem hätte sie es ja wohl nicht anders gewollt, als sie sich einfach von einem anderen hat schwängern lassen. Er wurde angeklagt, verurteilt und saß jetzt drei Jahre lang in Portlaoise. So etwas konnte Mulcahy sogar noch nachvollziehen. So war die Welt nun einmal: Es liefen ein paar unverbesserliche Arschlöcher herum.
    Was mit Jesica Salazar passiert war, leuchtete ihm allerdings immer noch nicht ein. Sogar noch weniger, seit er mit Frank Geraghty gesprochen hatte. Ein Mädchen wird vergewaltigt und gequält, bis sie halbtot ist, trotzdem finden die Gerichtsmediziner im Labor keine Hinweise auf Sex. Wie zum Teufel konnte das sein? Der Gedanke, dass jemandem einer abging, wenn er einer Frau solche Schmerzen zufügte, war Mulcahy absolut fremd. Dagegen kam ihm die Drogenbekämpfung plötzlich wie der reinste Spaziergang vor. Da kannte man im Allgemeinen wenigstens die Motive und wusste, womit man es zu tun hatte: skrupellose Gier, bitterste Sucht und unbarmherzige Ausbeutung. Es war ein Geschäft, wenn auch ein grausames, und funktionierte nach seinen eigenen Regeln.
    Mulcahy schob den Gedanken beiseite, worauf ihm einfiel, dass er vergessen hatte, Brogan anzurufen und ihr Geraghtys Erkenntnisse mitzuteilen. Er wählte die Nummer, wurde an ihre Mailbox weitergeleitet und hinterließ eine Nachricht. So weit, so gut. Er nahm seine Jacke, drückte auf die Taschen, um festzustellen, ob seine Zigaretten und das Feuerzeug da waren, dann schlenderte er ins leere Besprechungszimmer, am Whiteboard vorbei. Dort sah er, dass jemand die beiden Bilder von Jesica beim Verlassen des GaGa-Clubs angepinnt hatte. Ein Ganzkörperbild, eins von Kopf und Schultern. Was für ein schönes Mädchen. Ihre Kleidung, so wenig es auch war, sah edel und teuer aus. Warum auch nicht? Ihr Vater war einer der reichsten Männer Spaniens. Mulcahy hatte keine Ahnung, warum sie für vier Wochen nach Dublin in eine Sprachschule gekommen war. Er hatte immer gedacht, solcher Reichtum brächte nur Privilegien: Privatlehrer, Mädchenpensionate und so weiter. Dann erinnerte er sich an die Bilder von ihrem Vater, die er in Zeitungen und im Fernsehen gesehen hatte. Das dünne Raubvogelgesicht, der schmale, dürre Körper – eher ein Einsiedler als ein Politiker. War er auch eher Großvater als Vater? Er dachte an das, was Martinez ihm über Salazar erzählt hatte, und fragte sich, wie der Mann sich jetzt fühlte. Trotz all seiner Macht und seines Reichtums war er nicht in der Lage gewesen, diesen willkürlichen Angriff auf seine Tochter zu verhindern.
    Mulcahy sah sich das Porträtfoto von Jesica aus der Nähe an. Das glänzende Haar, die funkelnden Zähne, das Kreuz und die Kette vor dem weißen Top. Gold auf den Abstrichen? Das muss es sein, dachte er und erinnerte sich, wie sie die rote Strieme an ihrem Hals im Krankenhaus berührt hatte. Offenbar hatte der Angreifer ihr die Kette vom Hals gerissen. Vielleicht hatte er versucht, sie damit zu erwürgen. Mulcahy stellte sich vor, wie eine Hand die Kette ergriff, sie umdrehte und zerriss. War da ein bisschen Gold auf seine Hand abgeblättert?
    Mulcahy rieb sich ein paarmal das Gesicht, dann mit Daumen und Zeigefinger die müden Augen. In diesem Fall passte gar

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