Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
besser getroffen – sie sah aus wie am ersten Tag, vielleicht sogar besser, denn, so gestand sie es Vil, Doma Geffai versorgte sie heimlich mit kleinen Leckerbissen, wenn sie ihr drüben im Haus half, wovon aber eigentlich niemand etwas wissen durfte.
» Kann schon sein, dass er was von ihr will, aber ich glaube nicht, dass Mutter ihm das gibt « , meinte Vil.
» Sie braucht doch seine Hilfe für Faras. «
» Menher Brenner ist von Stand, jedenfalls zur Hälfte. Er wird das niemals ausnutzen! « , rief Vil, empört über die Unterstellung, die in den Worten seiner kleinen Schwester mitschwang. Aber was hieß schon klein? Sie war zwar noch keine zwölf, aber seit sie in der Halde waren, schien sie ihm viel erwachsener geworden zu sein. Ob das bei ihm auch so war?
Ihre Mutter kam bald darauf zurück, was Vil ungemein beruhigte.
» Bekommst du die Kräuter, Mutter? « , fragte Tiuri.
» Etwas viel besseres « , sagte sie mit leuchtenden Augen, » wir bekommen einen Arzt! «
Sie habe dem Brenner, so erzählte sie, einen silbernen Anhänger, ein Erbstück von ihrer Mutter, gegeben, und Vil erinnerte sich, dass die Kette, die zu diesem Anhänger gehörte, schon länger im Besitz des Eisenkönigs war. Also musste sie dem Brenner irgendetwas anderes gegeben haben.
» Aber Mutter « , protestierte Faras schwach, doch sie beruhigte ihn und meinte, dass es ohnehin nur ein alter, nicht sonderlich wertvoller Anhänger gewesen sei, den sie nicht einmal besonders gemocht habe. Sie strich ihrem Jüngsten dabei liebevoll über die Wangen, und Vil sah erstaunt, dass sie Tränen zu verbergen versuchte.
Der Arzt kam am nächsten Nachmittag. Er schlurfte, in einen schäbigen Mantel gehüllt, griesgrämig durch die Kaverne, bei jedem Schritt offensichtlich angewidert vom allgegenwärtigen Unrat, verfluchte sein Schicksal und weigerte sich, als er endlich den Verschlag erreichte, ihn zu betreten: » Wenn es eine Seuche ist oder etwas anderes Gefährliches, so hat es vielleicht bereits alles dort drinnen befallen, auch Euch, gute Frau, und Eure Kinder, wenn Ihr so dumm wart, sie dort drinnen schlafen zu lassen. Er soll herauskommen, der Kranke. «
Dazu war Faras viel zu schwach, und Vil, der sich von der Arbeit davongestohlen hatte, als er den Arzt hatte kommen sehen, half seiner Mutter, seinen Bruder vor die Unterkunft zu tragen.
» Manche meinen, alle Krankheiten stammten von einem Ungleichgewicht der Körpersäfte, der gelben oder der schwarzen Galle zum Beispiel, und sie schröpfen die Todkranken, womit sie dem Tod nur einen Teil seiner Arbeit abnehmen, aber ich war auf der Akademie der Scholaren, die viel über den menschlichen Körper und seine Gebrechen wissen. « Er beugte sich hinab zu Faras, legte ihm ein langes Messingrohr mit einem Trichter am Ende an die Brust und lauschte.
» Tief atmen, mein Junge. «
Er lauschte noch inniger, legte dann das Rohr zur Seite und sagte: » Sollte Euch jemand raten, ihn zu schröpfen, lehnt ab, gute Frau. Es ist etwas in seiner Lunge, dass sie nicht frei atmen kann. Tee wird ihm helfen. «
» Wir gaben ihm immer Kräutertee, das hat geholfen. «
Der Mann sprach mit seiner Mutter, aber es sah aus, als würde er dabei Vil ansehen, weil er fürchterlich schielte. » So? « , erwiderte er gedehnt.
» Auch unser letzter Arzt hatte sein Handwerk bei den Scholaren gelernt, Menher. «
» Handwerk? Wissenschaft, gute Frau, eine Kunst! Was hat er geraten, dieser andere Arzt? Hahnenkraut und Fünfblatt? Ja? Doch hat er Euch auch dieses Kraut empfohlen? « Er zog ein Bündel unansehnlicher getrockneter Blätter aus seiner Tasche. » Nein? Ah, nun, ich will ihm keinen Vorwurf machen, denn unser Handwerk, wie Ihr es in Eurer Einfalt zu nennen beliebtet, erfährt doch immer Neuerungen. Und die Scholaren von der Bruderschaft der Weißen Schriften sind nie müßig, immer sammeln sie Wissen, neues und verlorenes in Ländern, in denen die Menschen klüger sind als hier, was, wenn Ihr erlaubt, nicht schwer ist. Diese Kräuter hier, sie wirken Wunder bei vielen Leiden, auch wenn die meisten meiner Kollegen noch daran zweifeln. « Er hielt inne. » Ich hatte eine Frage, doch habe ich sie nun vergessen. «
» Auch ich habe eine Frage, Menher; dieses Kraut, wie wird es genannt? Und wo bekomme ich es her? «
» Ich werde Euch etwas davon hierlassen, doch wartet, ich weiß sie wieder, die Frage! Dieser Arzt, er kam hierher? «
» Nein, Menher, das war zu besseren Zeiten, als meine Familie noch auf der
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