Der Prinz und das Maedchen von nebenan
verbrachte?
Der Gedanke quälte sie wie ein Messer in einer offenen Wunde. Dennoch widerstand sie der Versuchung, Philippe eine E-Mail zu schreiben oder sich im Internet nach dem Stand der Dinge in Montluce zu erkundigen. Sie hätte es nicht ertragen, ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu sehen. Stattdessen bemühte sie sich, ihr altes Leben wieder aufzunehmen.
Eines Abends – Stella hatte ein Rendezvous mit ihrem neuesten Freund – raffte sie sich auf und loggte sich bei right4u.com ein. Sie hatte die Seite lange nicht besucht und erwartete daher keine Nachrichten, fand aber zwei vor. Eine stammte von dem hartnäckigen Mr Sexy, außerdem hatte sie eine Botschaft von einem gewissen Normalo erhalten. Was für ein verheißungsvoller Spitzname, dachte sie, neugierig geworden.
Sie schob jeden Gedanken an Philippe beiseite und klickte auf das Profil des Unbekannten. Ein Foto hatte er leider nicht beigefügt, das war jedoch nicht ungewöhnlich. Dafür entsprach er in nahezu jeder Hinsicht ihrem Ideal von einem Mann: Er hatte einen festen Arbeitsplatz, eine eigene Wohnung und teilte ihre Interessen zu neunzig Prozent! Anscheinend hatte er lange Zeit als glücklicher Single im Ausland gelebt, sehnte sich jetzt jedoch nach einer Frau, mit der er das Leben teilen und eine Familie gründen konnte.
Seine kurze Nachricht lautete:
Aus deinem Profil schließe ich, dass wir gut zueinander passen könnten. Ich würde dich gern kennenlernen. Was hältst du davon, dich gelegentlich mit mir auf einen Drink zu treffen?
Das klang weder romantisch noch aufregend oder glamourös, doch Caro stand der Sinn ohnehin nach vernünftig und schlicht. Ohne lange nachzudenken stimmte sie seinem Vorschlag zu.
Als Stella davon erfuhr, runzelte sie besorgt die Stirn. „Bist du sicher, dass du schon so weit bist?“
„Nein, aber irgendwann muss ich wieder ausgehen. Ich erwarte nicht, dass er der Richtige für mich ist, doch zumindest scheint er sympathisch zu sein. Ich betrachte das Treffen als eine gute Übung.“
Als sie sich am Abend der Verabredung umkleidete, war ihr jedoch, als laste ein schweres Gewicht auf ihr. So gut Normalo auch zu ihr passen mochte, er war nicht Philippe. Er würde nicht über ihre Garderobe spotten oder sie mit einem verheißungsvollen Lächeln in die Arme schließen – er war schließlich nur ein gewöhnlicher Mann!
Es ist nicht fair, seine Zeit zu verschwenden, dachte Caro schuldbewusst. Andererseits wollte sie nicht den Rest ihres Lebens Philippe nachtrauern. Sie beschloss, Normalo freundlich gegenüberzutreten und sich notfalls bereits nach einem Drink von ihm zu verabschieden.
Ohne rechtes Interesse blickte sie in ihren Schrank und entschied sich schließlich für das Kleid, das sie an ihrem ersten Abend mit Philippe getragen hatte. An diesem Abend hatte er sie zum ersten Mal geküsst – während sie sich noch um George gegrämt hatte. Würde sie eines Tages auch darüber lächeln, wie sehr sie um Philippe geweint hatte?
Pünktlich um sieben Uhr kam Caro beim Rathaus an, dem vereinbarten Treffpunkt, doch dort wartete niemand. Ich gebe ihm zehn Minuten, dann gehe ich, dachte sie.
Sie zog die dünne Jacke fester um ihre Schultern und ließ sich im Licht der Abendsonne auf der obersten Treppenstufe vor dem altehrwürdigen Gebäude nieder. Wie so häufig musste sie an Philippe denken, und sie gestattete sich, einige Minuten in der Erinnerung an ihn zu schwelgen: an seinen Geruch, seinen Geschmack, seinen Körper an ihrem, wie wohl sie sich in seinem Arm gefühlt hatte …
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schloss sie, um sie zurückzudrängen. Es wäre ja noch schöner, wenn sie bei ihrem Date um einen anderen weinte!
Plötzlich hörte sie Schritte. Jemand kam auf sie zu. Rasch wischte sie sich mit der Hand über die Augen. Bitte, bitte, lass das nicht Normalo sein! flehte sie leise.
„Wartest du auf jemanden?“
Beim Klang der vertrauten Stimme riss sie erstaunt die Augen auf.
„Philippe!“
Fassungslos sah sie zu ihm auf. Sie konnte kaum glauben, dass er vor ihr stand. Doch das ausdrucksvolle Gesicht, der schlanke, muskulöse Körper, sein Mund, seine Hände … er war es unverkennbar. Lediglich der unsichere Blick, mit dem er sie betrachtete, war neu.
„Was tust du hier?“
„Ich bin hier verabredet …“ Er ließ sich neben ihr nieder.
„In Ellerby?“ Seine Anwesenheit blockierte ihr Denkvermögen. Alles, was sie wollte, war ihn zu berühren, sich zu vergewissern, dass er
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