Der Prinz von Astrilandis
auf Moospolster und lehnten sich an die Stämme der dicken knorrigen Bäume. Ipmeos und Kanto brachten ihre Lederbeutel, die noch ein paar Vorräte enthielten. Sie hatten in der Zeit als sie die Mine beobachteten, Nüsse und Feigen gesammelt, die dort wild wuchsen. Nun legten sie ihre letzten Vorräte vor Mita und Hero ins Gras. Während sie aßen, sah Hero, dass Mita wie gebannt auf seine Hände starrte. Die Schwimmhäute waren nicht mehr zu verbergen, sie waren voll ausgewachsen und Hero hatte sich selbst daran gewöhnt, dass er vergaß sie zu verstecken. Doch Mita konnte ihren Blick kaum davon wenden. Während er noch überlegte, was er Mita erzählen sollte, begann sie ihre Bandagen abzuwickeln, die sie an beiden Händen und Beinen trug. Hero hatte nicht danach gefragt, warum sie diese schmutzigen Bänder noch trug, obwohl sie keine schweren Steine und Körbe mehr schleppen musste. Er sah ihr aufmerksam zu, wie sie nach jeder Wickelung einen kleinen Stein auf die Seite legte. Er setzte sich näher zu ihr und besah sich die Steine. Es waren Edelsteine, die zwar ohne Glanz waren, aber ihre Farben von rot über violett, blau und grün waren deutlich zu erkennen. „Woher hast du diese Steine?“ wollte Hero wissen. „Sie sind aus der Mine“, antwortete Mita. „Es gab davon so viele, dass wir uns alle genug nehmen konnten ohne dass es den Wachen auffiel. Wir haben sie in unsere Bandagen gewickelt und dadurch waren sie nicht zu sehen und vor den Aufsehern sicher.“ Als sie alle Bänder abgewickelt hatte lag eine beachtliche Anzahl von Edelsteinen vor ihr.
Sie sagte zu Hero: „Nun musst Du mir Dein Geheimnis verraten!“, dabei zeigte sie auf seine Hände und Füße. Hero holte tief Luft, denn er wusste noch immer nicht, welche Erklärung er abgeben sollte. Doch dann antwortete er: „Ich weiß selbst nicht so genau, warum mir ausgerechnet jetzt diese Schwimmhäute gewachsen sind und nicht schon vor langer Zeit. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich erwachsen geworden bin? Hero war verlegen und wagte nicht, Mita anzusehen. Er fuhr fort: „Die weisen Frauen haben mir nur gesagt, dass ich einmal die Entscheidung treffen muss, ob ich auch Herrscher von Miatris werden will, oder ob ich mich allein für Astrilandis entscheiden werde. Ich habe noch keine Entscheidung getroffen und deshalb hat sich das Orakel erfüllt.“ Mita, spürte, dass Hero sich wegen der Schwimmhäute schämte. Sie kniete vor ihm nieder und strich ihm sanft die Haare aus der Stirn: „Das Zeichen von Astrilandis auf Deiner Stirn ist kaum mehr zu sehen.“, sagte sie. Hero erschrak. Er fasste sich selbst an die Stirn und fühlte, dass Mita die Wahrheit sprach. Er hatte dieses Mal völlig vergessen. Es war das Zeichen, das ein Herrscher von Astrilandis ein Leben lang trug. Wenn es jetzt fast verschwunden war, so war dafür auch das Orakel verantwortlich. Vielleicht war jetzt auch die Zauberkraft seines Schwertes und die der Pfeile verloren gegangen? Er sagte zu Mita, wie um sich selbst zu beruhigen: „Ich habe mich dem Orakel unterworfen und es entscheidet über mein Schicksal. Wenn wir zurück in Astrilandis sind, wird sich alles ändern, denn dann hat das Orakel mehr Macht und wird mir neue Kraft geben.“ Mita sah Hero zweifelnd an, sie konnte nicht verstehen, warum Heros Schicksal allein vom Orakel abhängig sein sollte und sich die Herrscher ihm unterwerfen mussten.
Kein Sterblicher durfte in die Nähe des Orakels kommen. Viele schreckliche, unaussprechliche Dinge hatten sich im Wald von Tondoros zugetragen, so dass die Bevölkerung das Orakel fürchtete und sich freiwillig nie in dessen Nähe begeben hätte. Um so mehr fürchtete sie um Hero, der sich diesem Zauber freiwillig unterwarf und ihm Macht über sein Leben einräumte. Ähnlich verhielt es sich mit dem Glauben an die Götter. In Mitas Vorstellung waren auch sie nur für die Herrschenden zuständig. Der große Gott Astrilus, zu dem auch sie betete, hatte ihr noch nie einen Wunsch erfüllt. Sie rief ihn nur an, wenn sie Angst hatte. Der Krieg, vor dem sie sich so gefürchtet hatte und den Tod ihrer Mutter hatte Astrilus nicht verhindert, obwohl sie ihn darum gebeten und ihm heimlich ein Huhn geopfert hatte. Den einfachen Leuten war das Betreten der großen Tempel verboten. Bei Zeremonien zum Astrilusfest, das im Frühjahr gefeiert wurde, hatte Mita zum ersten Mal einen Blick auf die Priester geworfen, die im Tempel des Astrilus Opfertiere schlachteten und Fackeln entzündeten.
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