Der Prinz von Astrilandis
schwere Arbeit und die schlechte Ernährung hatten sie völlig ausgezehrt. Unterwegs mussten sie ein paar Mal anhalten, weil Mita vor Schwäche beinahe vom Pferd gefallen wäre. Erst dann erinnerte sich Hero an sein Amulett, das er an Volcanos Saumzeug befestigt hatte. Die Frauen vom Orakel hatten ihm gesagt, dass ihn dieses Amulett nicht nur schützen, sondern jedem, der es trägt, ungeahnte Kräfte verleihen würde. Er löste den Knoten mit dem das Amulett am Saumzeug befestigt war und legte es Mita um, die versuchte, ihn davon abzuhalten: „Es ist ein heiliges Amulett. Bitte, Hero, ich kann es nicht tragen“, sagte sie und sah ihn dabei beschwörend an. Doch Hero ließ sich nicht beeindrucken. Er legte es ihr um und knotete das Band um ihren Hals. Dabei berühren seine Finger vorsichtig ihren Hals und ihr Haar. Es war noch sehr kurz und nur ein paar einzelne Locken sahen hinter ihren Ohren hervor. Mit wagte nicht, Hero in die Augen zu blicken, sie sah starr geradeaus. Als er einen Schritt zurücktrat, befühlte sie mit spitzen Fingern das kostbare Schmuckstück. Sie war ein einfaches Mädchen und dieses Amulett, das aus Gold und kostbaren Edelsteinen bestand, war nur für einen Herrscher bestimmt. Doch Hero bestand darauf, dass sie es anbehielt. Er versprach ihr, dass dieses Amulett ihr wieder Kraft und Zuversicht geben würde. Während dieser kurzen Pausen erzählte Hero seinen Freunden, was sich im Lager zugetragen hatte und wie er mit Mita entkommen war. Die Freunde bewunderten Heros Mut, sie konnten kaum glauben, dass Hero und Mita durch den Wasserstrudel in die Freiheit gelangt waren.
Es war schon spät im Jahr, die Sonne ging spät auf und früh unter. Sie mussten sich beeilen und weiter reiten, wenn sie noch bis zum Hereinbrechen der Dämmerung zur Wolfsschlucht gelangen sollten. Sie wollten zu der Abzweigung, die in die Höhen von Marmania führte. Es war das Land von Eladanos, einem Verbündeten von Astrilandis, dessen Volk aus kriegerischen Nomaden bestand, die mit ihren Herden umherzogen. Im ganzen Land gab es keine festen Burgen oder Steingebäude, sondern nur Strohhütten, die sie immer dann verließen, wenn sie auf Beutezug gingen. Hero hatte noch nie einen solchen Krieger zu Gesicht bekommen, aber es ging die Rede, dass man sich vor ihnen in Acht nehmen musste, weil sie in ihrem Land Fremde nicht duldeten und ausraubten. Obwohl dieser Volksstamm zu Astrilandis gehörte, waren die herrschenden Fürsten sehr eigenmächtig und fühlten sich nicht verpflichtet, das Erbe von Astrilandis zu verteidigen. Ihr Land reichte bis an die Nordküste des Kontinents und war durch ein hohes Gebirge, das auf den Gipfeln Schnee trug, begrenzt. Die Marmanier waren immer wieder in angrenzende Länder eingedrungen und hatten dort Frauen geraubt, geplündert und gebrandschatzt. Ihr Führer Eladanos war bekannt für seine Vielweiberei und ein ganzes Heer von Söhnen, die ihn bei seinen Streifzügen unterstützten. Pantheer hatte Eladanos immer wieder zur Rechenschaft gezogen, doch dieser Fürst kümmerte sich nicht um Vorschriften. Er hatte sich auch geweigert, Pantheer im Krieg gegen Karikootos zu unterstützen. Doch Hero und die Freunde hatten keine andere Wahl, als durch dieses Gebiet zu reiten. Die Wolfsschlucht führte jetzt schon so viel Wasser, dass ein Durchqueren unmöglich war. Nachdem sie jedoch die heimtückischen Dorots in den Wolfsbergen kennen gelernt hatten, erschien Hero der Weg durch Marmania weniger gefährlich. Diese dämonischen Gestalten hielten sich in der Gegend um die Wolfsschlucht auf und Hero fürchtete sie mehr als die Marmanier. Sie ritten deshalb in zügigem Tempo und hielten nicht mehr an, und selbst der Hunger, der inzwischen alle plagte, war kein Grund länger als nötig irgendwo zu bleiben.
Hero wollte möglichst schnell aus dem Reich Windurs heraus, um möglichen Verfolgern zu entgehen. Je näher sie der Wolfsschlucht kamen, desto lauter hörten sie das Getöse der Wassermassen, die sich durch das schmale Tal zwängten. Die Schlucht war seit dem Sommer unpassierbar geworden und wie Hero befürchtet hatte, konnten sie keinen anderen Weg nehmen, als den durch Eladanos Land. Die Freunde waren von ihren Pferden abgestiegen. Sie waren müde und suchten nach einem Platz für die Nacht. Neben einem kleinen Wasserfall fanden sie einen Lagerplatz, der nicht nur geschützt war, sondern auch einen weichen Untergrund hatte. Die Pferde konnten das saftige Gras weiden und Hero und Mita setzten sich
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