Der Prinz von Astrilandis
Ihre Familie war von Pantheer ausersehen gewesen, in den ersten Reihen neben dem Tempel dem Zeremoniell beizuwohnen. Auch Hero war bei diesen Riten zusammen mit seinem Vater auf einer goldverzierten Trage gesessen und hatte zugesehen, wie das Blut der Schlachttiere bis fast vor seine Füße floss.
Mita fragte nicht weiter nach, weil sie verstand, dass Hero ihr nicht mehr über das Orakel erzählen wollte. Die Erklärung für die Schwimmhäute musste sie sich wohl selbst überlegen. Warum Hero auch noch Herr über Miatris werden sollte, konnte sie sich ebenso wenig erklären. Dass Heros Mutter eine Salsivarin war, wusste sie nicht, Hero hatte es ihr bisher verschwiegen.
Kanto und Ipmeos, die daneben saßen und auf ihren Nüssen herumkauten, hatten interessiert zugehört. Ihnen waren die Schwimmhäute nicht aufgefallen, denn Hero hatte sie immer mit Schmutz getarnt. Jetzt wollten sie sich diese Besonderheit genauer ansehen. Neugierig streckte Kanto seine Hand aus, um Heros Fuß zu berühren. Dieser gab ihm damit einen Stoß, dass Kanto nach hinten umkippte und alle lachten. Hero stand auf und verkündete mit tiefer Stimme, die er neuerdings hatte: „Ihr seid meine Untertanen, vergesst das nicht. Meine Schwimmhäute sind ein Zeichen dafür, dass ich auch Herrscher von Miatris bin und Euch zu den Salsivaren verbannen kann, wenn ich will.“ Die Freunde schauten sich fragend an. Was war nur in Hero gefahren? Doch dieser wandte sich ab und begann zu lachen. Endlich begriffen sie, dass er es nicht ernst gemeint und sie nur zum Narren gehalten hatte.
Sie verbrachten die Nacht neben dem kleinen Wasserfall, der einige Meter vom rauschenden Fluss entfernt in die Tiefe stürzte. Am nächsten Morgen nahm Hero darunter eine Dusche und alle anderen folgten seinem Beispiel. Nur Mita behielt ihre grauen Fetzen an, die sie nur notdürftig bedeckten. Als sie zu den Jungen zurückkam, verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, da der Stoff durchsichtig geworden war. Dann banden sie ihre Pferde los und Mita setzte sich wieder hinter Hero auf Volcanos Rücken. Cid hatte sich so an die Freunde gewöhnt, dass er sich ohne Knurren auf Kantos Pferd hieven ließ.
Sie folgten einem schmalen Pfad, der sie talabwärts führte, vorbei an Beerengestrüpp und niedrigen Büschen, die ihr Laub teilweise abgeworfen hatten. Hero orientierte sich an der Himmelsrichtung, sie ritten dem Sonnenaufgang entgegen. Mita, die hinter ihm auf Volcano saß, war sehr gesprächig an diesem Morgen. Sie erzählte Hero, wie die Aufseher in der Mine die Arbeiter herumkommandiert und sie für Dinge bestraft hatten, die ganz normal waren. Verlor man seinen Korb beim Tragen der Steine, gab es Peitschenhiebe und am Abend nichts zu essen. Ging man nicht in gebückter Haltung und sah den Wachen frech ins Gesicht, wurde man nachts gefesselt und an einen Baum gebunden, dass man sich nicht hinlegen konnte. In den Stollen unter der Erde gab es Folterwerkzeuge, die Mita zum Glück nicht zu Gesicht bekommen hatte. Die Schreie der Gefolterten aber waren Nacht für Nacht zu hören. Hero konnte kaum glauben, dass Windur diese Anweisungen gegeben hatte und schuld daran war, dass so viele Unschuldige starben. Wenn er wieder zu Hause war, würde er seinem Vater erzählen, was in seinem Reich vor sich ging. Windur hatte zwar die Herrschaft über einen abgelegenen Landstrich, aber er gehörte zur den Völkergemeinschaft von Astrilandis. Hero vermutete, dass sein Vater von dieser Gold- und Edelsteinmine noch nie etwas gehört hatte. Hätte er sich sonst seine Waren von den Inseln vor dem Winde beschafft? Es wäre doch einfacher gewesen, mit Windur Verträge auszuhandeln und die wertvollen Steine und Gold aus dieser Mine zu beziehen. Mita hatte die Steine wieder in ihren Bandagen versteckt, die sie sich jetzt um ihre Taille gewickelt hatte, über die sie das schmutzige Hemd zog.
Obwohl es spät im Herbst war, brannte die Sonne unbarmherzig herunter und die Freunde wurden bald wieder durstig und hungrig. In ihren Ziegenschläuchen hatten sie noch Wasser, das sie bei einem Halt gierig tranken. Hero hoffte bald Nahrung zu finden, damit sie den beschwerlichen Weg fortsetzten konnten. Es kreuzten immer wieder Tiere ihren Weg, unter anderem Wasservögel, Frösche und Kaninchen. Kanto hatte seinen Bogen griffbereit über seine Beine gelegt, um schnell eines der Tiere zu erschießen, wenn sich die Gelegenheit bot. Doch er hatte kein Jagdglück. Hero, der voraus ritt, hielt plötzlich an. Ganz
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