Der Prinz von Astrilandis
lassen. Diese Schlucht, die links und rechts von hohen Felsen gesäumt war, schüchterte sie noch mehr ein. Es gab keine Möglichkeit zu fliehen, sollte sich ein Feind oder ein Ungeheuer nähern. Die Wolfsmeute, die ihnen in der Nacht beinahe zum Verhängnis geworden war, hatte sie so erschreckt, dass sie hinter jedem Busch oder Baum, an dem sie vorbei kamen, eine Gefahr erwarteten. Kanto wagte nicht, seine Hand vom Knauf seines Schwertes zu nehmen. Seine kleinen Augen blickten unablässig nach rechts und links und das Rauschen des Flusses, der unsichtbar unter seinen Füßen dahin floss, bereitete ihm großes Unbehagen. Heros Ungeduld wuchs und er wandte sich noch einmal an seine Freunde: „Sitzt doch wieder auf, wir sind fast unten und es wird nicht mehr steiler“, rief er, um endlich wieder etwas Geschwindigkeit zu gewinnen. Kanto und Ipmeos gehorchten widerwillig.
Tatsächlich wurde der Pfad etwas breiter und ganz unten im Tal kam auch der Fluss wieder an die Oberfläche. Er war nun zu einem reißenden Strom angeschwollen und Hero erschrak, als er sah, dass das Wasser bereits über das Ufer trat und den Weg zum Teil überspülte. Nun mussten sie sich wirklich beeilen, denn das Tal würde schon bald verschwunden sein und sich in einen einzigen Strom verwandelt haben. Es würde nur noch für kurze Zeit passierbar sein. Wenn sie endlich etwas schneller ritten, würden sie vor Einbruch der Nacht an der Nordabzweigung in die Berge sein.
Nachdem überall im Land noch versprengte Rotten der unterschiedlichsten Heere unterwegs waren, konnten sie nicht sicher sein, doch noch in einen Hinterhalt zu geraten. Hero ritt deshalb voraus, um in einem solchen Fall, die Freunde zu warnen. Obwohl ihn der Riemen des Köchers mit den verwunschenen Pfeilen die Schulter wundgescheuert hatte, nahm er ihn nicht ab. Auch der Bogen war griffbereit an der Seite seines geliebten Pferdes. Der Nebel versperrte ihnen noch immer die Sicht und Hero hatte einen Augenblick lang geglaubt, Stimmen gehört zu haben. Er hob die Hand, um den Freunden ein Zeichen zu geben. Doch dann ritt er weiter, als er sah, dass ein Wildschwein mit Jungtieren am Ufer des Flusses im Schlamm badete. Er hatte das freundliche Grunzen der Bache für Stimmen gehalten. Unmerklich schüttelte er über sich selbst den Kopf. So weit war es schon mit ihm, dass er überall Gespenster sah. Die Angst seiner Freunde war anscheinend ansteckend. Hero machte sich Gedanken, wie er ein Nachtmahl für seine Freunde besorgen konnte. Der immer hungrige Kanto hatte während des ganzen Ritts noch nicht einmal nach einer Mahlzeit gefragt. Auch die Fische, die im Fluss immer wieder hochsprangen, hatten nicht seine Aufmerksamkeit gefunden. Diese Tatsache war so ungewöhnlich, dass sie nicht anders als mit Furcht zu erklären war. Er hatte einfach vergessen, dass er hungrig war. Auch Ipmeos übermäßige Mitteilsamkeit hatte sich in Schweigen verwandelt. Hero mahnte sich selbst zur Ruhe, er versuchte nicht darüber nachdenken, welchen Gefahren er sich und seine Freunde aussetzte. Es war wichtig, Mita zu finden und heimzukehren. Das war sein Ziel, und nichts durfte ihn davon abhalten. Er trieb seine Freunde wieder zur Eile an, da die Wasser des Flusses immer häufiger den schmalen Pfad überschwemmten und die Hufe der Pferde bereits Wasserfontänen nach allen Seiten aufspritzen ließen.
Es war nun kühl in dieser Schlucht. Hero fröstelte leicht, denn der Rest seines Umhangs, den er als Verband zerrissen hatte, lag hinter ihm zusammengefaltet auf dem Pferderücken. Er ritt mit nacktem Oberkörper, nur mit dem Amulett bekleidet, das er von den Magierinnen des Orakels erhalten hatte. Es war bereits spät am Nachmittag, die Sonnenstrahlen beleuchteten nur noch die Bergspitzen, in der Schlucht wurde es schon dämmrig, als sich vor ihnen endlich die Abzweigung in die nördlichen Berge öffnete. Hero gönnte den Freunden und sich eine kurze Rast. Sie tranken frisches Quellwasser, füllten ihre Ziegenschläuche wieder auf und aßen das restliche Trockenfleisch, das Kanto in einem Beutel mit sich führte. Ein paar Beeren aus den Sträuchern am Hang ergänzten das kärgliche Mahl. Jetzt würden sie den beschwerlichen Pfad in die Berge nehmen, der sich vor ihnen schmal in der Dämmerung verlor.
Bevor sie wieder die Pferde bestiegen, die auch am Fluss getrunken und das saftige Gras gefressen hatten, sagte Hero zu seinen Freunden:
„Wir gehen jetzt langsam den Pfad hinauf und werden im ersten
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