Der Prinz von Astrilandis
Stoffe, die in Miatris zu wertvollen Gewändern verarbeitet wurden. Wenn Myadne ihre Mutter nach Astrilandis befragte, schüttelte diese nur den Kopf und sagte: „Unser Leben findet hier auf den Inseln statt und der Herrscher von Astrilandis ist nicht unser Verbündeter. Wir müssen uns vorsehen, damit er seine Macht nicht auf unsere Inseln ausdehnt.“ Die jungen Männer, die Myadne auf den Booten kennen gelernt hatte, waren vergnügt und freundlich gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass von ihnen je eine Gefahr ausgehen würde. Laonira hatte das Geheimnis, das sie mit Astrilandis verband, vor ihrer Tochter bisher nicht offenbart. Sie hielt die Zeit dafür noch nicht für gekommen. Erst wenn die Göttin ihre Gebete erhören, und ihr den Sohn zurückgeben würde, konnte sie Myadne die Wahrheit über ihre Herkunft erzählen.
Das Segelschiff fuhr in weitem Abstand um das Riff herum. Starker Seegang machte dem Kapitän das Manöver schwer. Als sie endlich an einem der bevorzugten Ankerplätze angekommen waren, konnten sie zunächst keinen Anker auswerfen. Myadne befahl dem Kapitän abzuwarten und weiter vor dem Riff zu kreuzen. Endlich legte sich der Wind, und der Anker wurde ausgeworfen. Myadne sprang als erste ins Wasser. Ihre Kleidung hatte sie bis auf ein kurzes Hemd neben der Reling abgelegt. Mit einem Korb, den sie sich umgebunden hatte, tauchte sie in die Tiefe. Ihre Haare waren mit einem Tuch verknotet. So hatte sie beide Hände frei, um mit der scharfen Klinge, die Muscheln von der Felswand zu lösen. Sie tauchte so tief, dass die Strahlen der Sonne die Felswand gerade noch erhellten, dann schwamm wie näher heran. Hier waren die größten Muscheln. Mit viel Geschick und Kraft löste sie eine um die andere, um sie vorsichtig im Korb abzulegen. Luftperlen stiegen nach oben. Myadne blieb so lange unter Wasser, bis sie ihre Lungen fast entleert hatte, dann stieg sie langsam wieder auf. Viele Augenpaare waren auf sie gerichtet, als sie ihren Korb über Bord reichte. Erst jetzt sprangen die anderen Taucherinnen ins Wasser.
Der Kapitän sagte zu Myadne: „Seht die Wolken, die vom Norden auf uns zutreiben. Sie werden einen Sturm bringen, der unser kleines Boot zum Kentern bringen wird.“ Myadne hatte die erste Muschel geöffnet. Sie lachte laut auf. „Hier, schau her. Das ist eine Perle, um die mich alle beneiden werden!“ Sie hielt eine Perle zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe, die eine Farbe von flüssigem Gold zu haben schien. Der Bootsführer betrachtete das Fundstück uninteressiert. Er wiederholte noch einmal: „Wir werden einen Sturm bekommen!“ Doch Myadne sprang schon wieder in die Fluten. Inzwischen waren die anderen Perlentaucherinnen auch wieder aufgetaucht. Ihre Ausbeute war eher gering. Keine der Frauen wagte es, so tief zu tauchen wie Myadne. Der Bootsführer war sehr unruhig. Starker Wind war inzwischen aufgekommen, so dass das Boot stark schaukelte und gegen das Riff zu driften begann. Die Wellentäler wurden tiefer und Schaumkronen fegten mit großer Geschwindigkeit in Richtung der Insel Miatris. Von Myadne fehlte jede Spur. Schon längst hätte sie wieder an die Oberfläche kommen müssen. Der Kapitän befürchtete, dass die Tochter der Herrscherin wieder einmal das Seeungeheuer getroffen hatte, das sie schon einmal entführt hatte. Alle starrten auf das Wasser, als plötzlich der Bug von einer Welle überspült wurde. Caipo, der Seedrache tauchte auf. Er trug Myadne auf seinem Rücken. Sie warf die herauf getauchten Muscheln auf das Boot und rief dem Bootsführer zu: „Fahrt mit euerem Fang zurück in den Hafen. Ich werde mit Caipo noch in den Wellen spielen.“ Mit diesen Worten war sie wieder in den Wogen verschwunden.
Der Kapitän wandte sich an seine Bootsleute: „Wir fahren auf dem kürzesten Weg zurück. Es hat keinen Sinn, auf Myadne zu warten. Caipo wird sie wieder an Land bringen, mit ihm ist sie sicherer als wir mit dem Boot.“ Sie setzten das kleinste Segel, um ihr Boot maneuvrierfähig zu halten. Der Seegang hatte sich noch verstärkt und alle mussten zusammen helfen, um das Boot daran zu hindern, auf das Riff aufzulaufen. Mit vereinten Kräften schafften sie es, einen südlichen Kurs einzuschlagen, und konnten so das Boot vor dem Kentern bewahren.
Niemand sah sich mehr nach Myadne um. Sie war bei Caipo sicher. Der Seedrache bewohnte das Riff, so lange man denken konnte. Er war älter als der älteste Bewohner von Miatris. Auch Laonira war schon mit ihm
Weitere Kostenlose Bücher